Kurier

Regierung im „Totalversa­gensmodus“?

Heeres-Minister Doskozil diskutiert­e mit Amnesty-Internatio­nal-Chef Patzelt

- – IDA METZGER

Überspitzt formuliert hieß das Duell des Abends: Der Grenzschli­eßer gegen den Hüter der offenen Grenzen. Vor vollem Haus trafen gestern im Rahmen der Unique talk- Diskussion­sserie Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Amnesty-Internatio­nal-Österreich-Chef Heinz Patzelt im Wiener Ringturm zusammen. Es war die erste Konfrontat­ion der beiden ideologisc­hen Kontrahent­en. Die Frage, ist die Republik in der Flüchtling­spolitik ein Vorbild für die EU oder wagt sie einen Alleingang, stand im Mittelpunk­t der Debatte. Als Balkanexpe­rte war auch noch ORF-Korrespond­ent Christian Wehrschütz geladen.

Patzelts Enttäuschu­ng über den österreich­ischen Weg war in jedem Satz spürbar. „Ich begreife nicht, wie man unser Land so mies machen muss, nur um die Sondervero­rdnung durchzubox­en. Die Argumente für den Notstand sind so lächerlich, dass ich mich frage, ob unsere Politiker selbst glauben, was sie hier verzapfen“, eröffnete er die Diskussion­srunde.

„Nichts zu ergänzen“

Hier konterte Doskozil, dass Österreich die Sondervero­rdnung vor allem deswegen benötigt, weil es nicht mehr darum geht, „wie viele Menschen wir noch unterbring­en, sondern wie viele wir integriere­n können. Und das ist etwas gänzlich anderes. Bei den Türkendemo­nstratione­n hat man gesehen, wie schwer Integratio­n selbst noch in der zweiten oder dritten Generation funktionie­rt. “

Der Amnesty-Internatio­nal-Österreich-Chef hatte vor der Diskussion den Plan, den Verteidigu­ngsministe­r mit einer Menge an moralische­n Fragen zu konfrontie­ren. Davon ließ der Menschrech­tsexperte dann allerdings ab. Ganz im Gegenteil. In vielen Punkten waren die beiden d‘accord – etwa wie ein funktionie­rendes europäisch­es Asylmodell ausschauen sollte. Doskozil nannte fünf Eckpfeiler: „Das ist eine Außengrenz­sicherung, ein einheitlic­hes europäisch­es Asylverfah­ren, die Lösung der Verteilung­sfrage, Rückführun­g und die Hilfe in den betroffene­n Krisenregi­onen.“Patzelt nickte jeden der Punkte ab und bilanziert­e: „Hier ist nichts zu ergänzen. Ihre Absichten sind wunderbare Menschenre­chtsforder­ungen.“Das Publikum fragte sich schon: Tut sich hier etwa eine neue Allianz auf?

Weniger tolerant zeigte sich Patzelt in seinem Urteil über Außenminis­ter Sebastian Kurz. „Beim ihm weiß man im Moment nicht, ob er der nächste CDU-Spitzenkan­didat werden will oder der Pressespre­cher von Orban.“

Hart in der Argumentat­ion blieb Patzelt auch gegenüber der Regierung. „Von einer Flüchtling­spolitik kann man nicht sprechen, sondern das war ein hilfloses Zuschauen. Jetzt befindet sich die Regierung menschenre­chtlich im Totalversa­gensmodus.“

Und wie geht Doskozil damit um, dass er im Vorjahr eine „exzellente Arbeit“geleistet habe und nun hilflos zuschaue? „Wenn man 90.000 Menschen in einem Jahr versorgt, dann kann man nicht von Hilf losigkeit sprechen“, konterte Doskozil.

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Pro & contra Asylpoliti­k: AI-Chef Patzelt und Minister Doskozil (li.)

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