Kurier

Sonderschu­l-Aus: Widerstand wird größer

Bis 2020 sollen diese Schulen Geschichte sein, bei Umsetzung hapert es gewaltig

- – MARIA KERN, UTE BRÜHL

Die Politik hat sich ein hehres Ziel gesetzt. Bis 2020 sollen praktisch alle Sonderschu­len abgeschaff­t und Kinder mit „sonderpäda­gogischem Förderbeda­rf “(SPF) stattdesse­n in „normalen“Schulen unterricht­et werden. Die Intention: Alle behinderte­n Kinder sollen im Schulberei­ch integriert werden. Derzeit sitzen 62 Prozent der SPF-Kinder in „normalen“Klassen. Bei der Umsetzung des Vorhabens hapert es aber gewaltig. Viele Eltern und Lehrer sehen es daher äußerst kritisch.

„In Kärnten hat man die Sonderschu­len besonders rigoros abgebaut und die Kinder in Inklusions­klassen verteilt. Ähnliches gilt für die Steiermark, weil das Modellregi­onen sind. Dort ist der Leidensdru­ck deshalb besonders groß“, schildert Ilse Schmid, Obfrau des steirische­n Dachverban­des der Pflichtsch­ul-Elternvere­ine.

Auch bei Lehrergewe­rkschafter Paul Kimberger häufen sich Beschwerde­n: „Ich habe stapelweis­e Mails von Eltern und Lehrern erhalten, die mir schreiben, ich solle mich dafür einsetzen, dass die Sonderschu­len erhalten bleiben“. Aus den Modellregi­onen gebe es „viele negative Rückmeldun­gen“, es gebe zu wenig Personal sowie adäquate Räumlichke­iten. Kimberger: „Wir tun manchen Kindern nichts Gutes, wenn sie eine Regelschul­e besuchen müssen.“Das sieht auch Christina Löblich aus Wördern (NÖ) so. Ihr autistisch­er Sohn Matthias hatte in einer Volksschul­e große Probleme: „Es war für ihn schwer, mit der Menge an Kindern zurechtzuk­ommen.“Als der heute 15-Jährige in eine Sonderschu­le wechselte, sei es ihm besser gegangen. „Dort waren acht Kinder mit zwei Lehrern in einer Klasse.“Matthias entwickelt­e sich so gut, dass er heute ein Gymnasium besuchen kann.

24.000 Unterschri­ften

Aufgrund ihrer persönlich­en Erfahrunge­n unterstütz­t Löblich eine Petition von Eltern, die auf Wahlfreihe­it in Sachen Schulwahl pochen. 24.000 Betroffene haben die Initiative, die am Donnerstag im Petitionsa­usschuss des Parlaments behandelt wird, unterschri­eben – auch Robert Kaspar, dessen Tochter Leonie (9 Jahre), ein Downsyndro­mKind, auch in eine Sonderschu­le geht. „Wir haben uns auch Volksschul­en angesehen, aber im Sonderpäda­gogischen Zentrum in Klosterneu­burg werden sechs Kinder in einer Klasse von einem Lehrer und einer Stützkraft betreut. In den Volksschul­en gibt es eine Lehrerin und eine Stützlehre­rin für etwa 20 Kinder“. Wäre der Betreuungs­schlüssel wie in der Sonderschu­le, hätte er seine Tochter in der Volksschul­e angemeldet. Denn grundsätzl­ich findet er den Kontakt mit den anderen Kindern gut. Das sehen auch Experten so. Gottfried Biewer, Professor für Inklusive Pädagogik an der Uni Wien, kennt aber auch die Probleme: „Viel von dem, was umgesetzt werden müsste, ist noch nicht umgesetzt. An den Schulen braucht es Fachleute für inklusive Pädagogik und Lehrer, die gegenüber der Inklusion positiv eingestell­t sind.“Und Qualität müsse vor Tempo gehen.

 ??  ?? Robert Kaspars Tochter Leonie besucht eine Sonderschu­le, weil es kleinere Klassen und mehr Fachkräfte als in Volksschul­en gibt
Robert Kaspars Tochter Leonie besucht eine Sonderschu­le, weil es kleinere Klassen und mehr Fachkräfte als in Volksschul­en gibt

Newspapers in German

Newspapers from Austria