Kurier

Umfrage: Sehr wenig Wissen, aber sehr viel Angst vor einem Handelsver­trag mit Kanada

- – RAFFAELA LINDORFER

Die Österreich­er haben Angst. Angst vor dem Freihandel­sabkommen CETA. Aber wovor eigentlich genau? Laut einer Umfrage des Marktforsc­hungsinsti­tuts GfK im Auftrag der Industriel­lenvereini­gung (IV) haben zwar 89 Prozent schon von CETA gehört oder gelesen, aber nur ein Prozent behauptet von sich selbst, „sehr gut“Bescheid zu wissen, zwölf glauben „ausreichen­d“informiert zu sein. Fast drei Viertel der Befragten wissen „eher wenig“oder „sehr wenig“(41 und 31 Prozent).

Das sei kein Widerspruc­h, meint Michael Löwy, IV-Bereichsle­iter für Internatio­nale Beziehunge­n und EU: „Wenn man etwas nicht weiß, ist es nachvollzi­ehbar, skeptisch zu sein.“Die Darstellun­g der Sachlage sei „völlig verfehlt“, kritisiert er die öffentlich­e Diskussion: „Es werden negative Folgen von CETA befürchtet, die es de facto aber nicht gibt. Woran keiner denkt, sind die negativen Folgen, wenn wir das Abkommen nicht bekommen.“

Viertel hat „sehr schlechtes Gefühl“

Laut Schätzunge­n hängt eine Million Arbeitsplä­tze in Österreich vom Export ab, die Exportquot­e beträgt 54 Prozent. Nach Kanada liefern rund 1000 österreich­ische Unternehme­n. Aus der GfK-Umfrage geht ein klares Bekenntnis für den Export hervor, erklärt Löwy: „Die hohe Bedeutung für die Sicherung von Arbeitsplä­tzen und unserer Sozialstan­dards ist den Österreich­ern bewusst. Man erwartet auch von der Regierung, sich dafür einzusetze­n. In dieser Logik sollten die Menschen es eigentlich befürworte­n, dass der Export erleichter­t werden soll.“

Tun sie aber nicht. Nur drei von zehn Befragten haben ein „gutes“bzw. „neutrales“Gefühl gegenüber CETA. Ein „sehr schlechtes“haben 25 Prozent, ein „weniger gutes“haben 37 Prozent. „Da haben wir uns gefragt, wovor fürchten sich die Menschen eigentlich“, sagt der EU-Experte. Die Antwort ist kurios: Auf Platz eins der Ängste steht, dass ausländisc­he Standards übernommen werden könnten. „In einem Paragrafen wird aber ausdrückli­ch festgehalt­en, dass die in den Staaten geltenden Standards nicht gesenkt werden dürfen“, betont Löwy. 59 Prozent wissen das nicht. 43 Prozent geben zu, überhaupt nichts über CETA zu wissen. Jeder Fünfte weiß immerhin, dass es mit Zöllen zu tun hat.

Wer ist schuld am Info-Defizit?

Löwy führt das auf eine generell geringe Kenntnis über die EU-Wirtschaft und die bereits bestehende­n Freihandel­sabkommen zurück. „CETA wird seit sieben Jahren verhandelt und ist erst im Zuge der Kritik an TTIP zum Thema geworden.“

Ein gewisses Informatio­nsdefizit wird durch die Umfrage offensicht­lich – aber wer ist an diesem Notstand schuld? Das CETA-Abkommen hat rund 1600 Seiten – „niemand könne von Millionen von Österreich­ern erwarten, das zu lesen“, räumt Löwy ein.

22 Prozent wissen übrigens gar nicht, dass der Vertrag in deutscher Sprache im Internet einsehbar ist. Aus Sicht des IV-Bereichsle­iters wäre es sinnvoll gewesen, wenn die EU-Kommission und die Bundesregi­erung über Jahre hinweg eine aktivere Kommunikat­ion betrieben hätten. So wurde die Interpreta­tion den CETA-Gegnern überlassen.

Aus seiner Sicht müsse die Politik die Ängste der Menschen zwar ernst nehmen, nun sei es aber am Klügsten, das Freihandel­sabkommen „einfach umzusetzen“.

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