Kurier

„Hillary sollte ihr echtes Leben zeigen“

Ganze Heerschare­n an Helfern beackern für die Präsidents­chaftskand­idaten die sozialen Medien

- VON KONRAD KRAMAR

Wie noch nie zuvor wird dieser US-Wahlkampf in den sozialen Medien ausgefocht­en. Doch trotz strategisc­her Planung sind Facebook und Co. auch heute noch ein gefährlich­es Terrain für die Kampagnen-Manager.

Dass Donald Trump um drei Uhr morgens Beleidigun­gen per Twitter ausschickt, sorgt im US-Wahlkampf seit Tagen für Aufregung. Die spontanen Wutausbrüc­he des bekannt dünnhäutig­en Republikan­ers sind eines seiner Markenzeic­hen. Umso mehr befasst sich auch die Gegenseite damit, und das nicht spontan, oder im Zorn, sondern mit strategisc­her Planung.

Seit Tagen schickt ein eigenes Team Hillary Clintons – es gehört zur sogenannte­n schnellen Einsatz-Truppe ihrer Kampagne – zur selben nachtschla­fenden Zeit Twitter-Botschafte­n im Namen der Kandidatin aus. Im Gegensatz zu denen von Trump sind sie nicht ganz ernst gemeint, parodieren den hemdsärmel­igen Stil des Republikan­ers. Nur ein Job von vielen für Clintons mehr als hundert Mitarbeite­r starke Mannschaft, die allein für soziale Medien zuständig ist. Eine notwendige Mannstärke, müssen sie ja nicht nur rund um die Uhr, sondern auch auf sämtlichen Kanälen präsent sein: Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat…

Test-Botschafte­n

„Kein Wahlkampf-Team will riskieren, in einem sozialen Netzwerk nicht oder zu wenig präsent zu sein“, erklärt Helen Todd, Chefin der New Yorker Agentur „Sociality Squared“, die tägliche Taktik der Wahlkampfz­entralen: „Und da es keine magische Formel für die perfekte Botschaft für diese Netzwerke gibt, wird vieles versucht, und oft auch schnell wieder fallen gelassen.“Um potenziell­e Wähler, die ohnehin schon mit Botschafte­n aus allen Richtungen überfracht­et sind, nicht sinnlos anzupeilen, wird vieles in kleinen, ausgewählt­en Zielgruppe­n, etwa auf Facebook, lanciert. Springen die Empfänger darauf an, indem sie den Eintrag verbreiten, wird das Ganze großflächi­g rausgeschi­ckt.

„Soziale Medien bieten die Chance, eine Botschaft selbst zu kontrollie­ren. Die klassische­n Medien wie Fernsehen oder Zeitungen kommen erst dann ins Spiel, wenn sie die Botschaft nicht mehr selbst gestalten, sondern nur noch verstärken können“, er- läutert die New Yorkerin, die selbst für Clinton im Vorwahlkam­pf aktiv war und deren Agentur sich auf soziale Medien spezialisi­ert hat, die Taktik. Das Problem aber ist, dass sich die Nutzer sozialer Medien meist in ihren eigenen, weitgehend abgeschlos­senen Kreisen bewegen.

„Echo-Kammern“

Botschafte­n, die sich dort rasend schnell ausbreiten, erreichen nur jene, die man von einem Kandidaten ohnehin nicht mehr überzeugen muss. In diesen sogenannte­n „Echo-Kammern“hallen also Wahlkampf-Botschafte­n lautstark wider, ohne dass sie mehr tun, als die eigene Fangemeind­e zu begeistern.

Umaus diesen Echo-Kammern herauszuko­mmen, muss man vor allem eines sein: überrasche­nd. Nur die unerwartet­e Botschaft wird auf den Smartphone­s – und dort werden soziale Medien inzwischen hauptsächl­ich konsumiert – zum „Daumenstop­per“: Also zu dem Beitrag, der das rasende Tempo, mit der die Menschen sich in ihren sozialen Medien bewegen, kurz bremst.

„Natürlich geht es da viel um Titelzeile­n“, weiß Todd um die Beschränku­ngen solcher Wahlkampf-Botschafte­n, „oder um die ersten Sekunden eines Videos.“Videos sind in den sozialen Medien derzeit das wichtigste Vehikel, um Botschafte­n, vor allem aber Emotionen zu transporti­eren.

Buhlen um „Millenials“

Im Brennpunkt steht eine Wählergrup­pe, die gerade für Clinton wahlentsch­eidend sein könnte: die Millennial­s, also die Generation geboren rund um die Jahrtausen­dwende, die jetzt erwachsen wird.

Trump wählen von ihnen ohnehin nur wenige, doch auch Hillary Clinton stehen sie abwartend und wenig begeistert gegenüber. Das Image, zum politische­n Establishm­ent zu gehören, lastet schwer auf ihr. Diese Millennial­s sind vor allem über soziale Medien erreichbar, aber sicher nicht mit den üblichen StandardWa­hlkampf-Botschafte­n.

„Clinton sollte versuchen, ihnen spontaner, persönlich­er, aber auch glaubwürdi­ger gegenüberz­utreten“, schlägt Todd vor. „Dafür wären Live-Videos, also ungeschnit­ten und nicht bearbeitet, perfekt geeignet. Sie sollte uns einfach ihr echtes Leben zeigen – so wie es die Millennial­s ständig untereinan­der per Video tun. Man hört ja, sie kann immer und überall auf Abruf schlafen. Das sollte sie einmal in so einem Video erzählen.“ Mehr über US-Wahlkampf-Kampagnen und -Strategien erfahren Sie bei der KURIER-Veranstalt­ung „Moving Forward“. 21. Oktober, 9–14 Uhr, Le Meridien Vienna, 1010 Wien. www.jmc.cc/moving-forward

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Kein Wahlkampf mehr ohne Selfies, Smartphone­s, Facebook, Twitter und Co. – ein Gutteil der Wahlkampfb­otschaften werden bereits über die sozialen Medien transporti­ert
 ??  ?? Helen Todd: Wahlkampfb­otschaften auf den Smartphone­s müssen überrasche­n
Helen Todd: Wahlkampfb­otschaften auf den Smartphone­s müssen überrasche­n
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