„Politik muss den Markt reparieren“
Russland-Geschäft durch EU-Sanktionen eingebrochen
Neue Stadien, neue Türme, neue Brücken: Sankt Petersburg bietet alles, was österreichische Stahlbaufirmen begehren. Diese genießen einen hervorragenden Ruf in Russland, allein die Aufträge fehlen. Selbst etablierte Unternehmen wie Waagner Biro (siehe Artikel oben) klagen über herbe Geschäftsrückgänge.
Zwar ist die Baubranche von den verhängten EUSanktionen nicht direkt betroffen, von der dadurch ausgelösten anti-westlichen Stimmung im Land aber sehr wohl. Es werde nur das im Ausland besorgt, was partout nicht im Inland zu bekommen ist, erzählen Vertreter heimischer Firmen. Anders als bei Olympia in Sotschi, wo viele ausländische Firmen die Infrastruktur mitbauten, bekommen für die FußballWM russische Firmen den Vorzug. „Vor den Sanktionen haben wir viel im Ausland gekauft, jetzt müssen wir uns eben wieder mehr selbst helfen“, bestätigt ein Vertreter des russischen Stahlbauverbandes. Die anhaltende Wirtschaftskrise und der schwache Rubel verschärfen die Situation noch.
Kein Wunder, dass bei einem Business Forum in St. Petersburg der Ruf nach Aufhebung der Sanktionen laut wurde – von beiden Seiten. „Die Sanktionen sind falsch, weil nur wir Exporteure darunter leiden“, klagt etwa Peter Zeman, Chef des Wiener Stahlbauunternehmens Zeman & Co. Österreich sei als Land für Stahlbauer zu klein, daher müsse man im Export reüssieren. „Die Politik hat den Markt beschädigt, jetzt muss sie ihn reparieren“, fordert er eine stärkere Präsenz österreichischer Regierungsmitglieder in Russland. Im Vorjahr sind Österreichs Exporte nach Russland um 38 Prozent eingebrochen, für heuer wird ein weiteres zweistelliges Minus erwartet. Als Russland 2010 den Zuschlag zur WM 2018 erhielt, wurde die Arena kurzerhand umgeplant und die Kapazität erweitert. Ursprünglich um rund 190 Millionen Euro geplant, werden die Gesamtkosten inzwischen auf gut eine Milliarde Euro geschätzt. Das wäre der bisher teuerste Stadionbau in Europa. Der Guide spricht offiziell von rund einer halben Milliarde Euro Baukosten.
Stadt muss sparen
Nach Absturz des Ölpreises und Ausstieg des Hauptsponsors Gazprom drohte dem Prestigebau das Geld auszugehen. Um den Weiterbau zu finanzieren , musste die Stadt laut Spiegel- Informationen die Sozialausgaben kürzen und strich die Budgets für Schulen, Kindergärten und Spitäler zusammen.
Rechtzeitig zum Ankick der WM 2018, wenn die Welt auf Russland blickt, muss auch ein weiteres, umstrittenes Statussymbol fertig sein: Das Lakhta MehrzweckZentrum mit seinem 462 Meter hohen „Gazprom-Turm“, der neuen Firmenzentrale des staatlichen Ölkonzerns. Weil der Wolkenkratzer so gar nicht ins historische Zen- trum der Zarenstadt passte, wurde er nach Bürgerprotesten weit an den Stadtrand auf eine Insel verbannt. Nur von der Ferne und vom Wasser aus dürfen die Besucher aus Österreich die derzeit größte Baustelle Russlands besichtigen. 50.000 Tonnen Stahl werden dort in insgesamt vier Gebäuden verbaut. Im Zentrum schraubt sich der höchste Turm Europas entlang von drei riesigen Turmdrehkränen in die Höhe. Bei den starken Windböen, die vom Meer aufs Festland wehen, eine heikle Sache.
Generalunternehmer bei Lakhta ist die türkische Renaissance Construction, die auch während der Eiszeit zwischen Russland und der Türkei im Vorjahr unbehelligt weiterbauen durfte. Auch eine österreichische Firma ist beteiligt: Stahl-Glas-TechnikSpezialist Waagner-Biro errichtet im Mehrzweckbau ein Planetarium. Nicht der erste Auftrag des heimischen Stahlbauers, der auch bei der architektonisch imposanten Umgestaltung des Mariinski Theaters mitwirkte. Eine 35 Meter lange Glastreppe im Foyer lässt dort die Theaterbesucher geradezu zwischen den Stockwerken schweben.