Kurier

Tödlicher Mix in Böllerwerk­statt kostete zwei Menschenle­ben

25 kg „dilettanti­sch hergestell­te“Knallkörpe­r explodiert­en in der Südoststei­ermark.

- VON ELISABETH HOLZER

16 Cent bekam der 29-Jährige für jeden Böller, den er im Auftrag seines Freundes produziert­e. 16 Cent pro „Blitzknall­satz“, wie Staatsanwa­lt Alexander Birringer die Sprengkörp­er nennt. „Dilettanti­sch hergestell­t mit immensem Gefährdung­spotenzial“, beschreibt der Ankläger und kommt zum 17. November 2014, punkt 18.10 Uhr: 25 Kilogramm der illegal gefertigte­n Böller gingen hoch, nachdem der 29-Jährige einen Fehler beim Mischen der Chemikalie­n machte.

Der Steirer und sein Vater, 57, der nur zufällig in das Wirtschaft­sgebäude kam, waren sofort tot. Häuser und Pkw im Umkreis von zwei Kilometern wurden durch die Explosion in der südoststei­rischen Gemeinde beschädigt.

Nicht explodiert

Verheerend genug, aber laut Staatsanwa­lt hätte es noch schlimmer kommen können: Weitere gelagerte Böller mit einem Gesamtgewi­cht von 175 Kilogramm detonierte­n nämlich nicht. Birringer klagt unter anderem vorsätzlic­he Gemeingefä­hrdung an, fünf bis fünfzehn Jahre Haft sind da möglich.

Neun Angeklagte hat Richterin Barbara Schwarz Mittwoch vor sich. Unter ihnen die Lebensgefä­hrtin des getöteten 29-Jährigen und dessen Bruder, 35. Während es bei ihr nur um falsche Beweisauss­age geht, war der Bruder ebenfalls an der illegalen Produktion beteiligt. „Mein Mandant hat Bruder und Vater verloren“, betont sein Verteidige­r. „Die ganze Familie ist traumatisi­ert.“Der Mann überlebte, weil er kurz vor der Detonation aus dem Raum gegangen war.

Doch die Brüder sind für den Ankläger gar nicht die Drahtziehe­r. Er hat zwei Gastwirte, Vater und Sohn, sowie einen 33-Jährigen, alle aus der Südsteierm­ark, im Visier. Die Wirtsleute, im Nebenberuf Pyrotechni­khändler, sollen bestellt, der 33-Jährige soll produziert haben.

Eine „Feuerwerks­ausbil- dung“bei einem privaten Sachverstä­ndigen habe er gemacht, und einen Gewerbesch­ein besitze er auch, verteidigt sich der Mann. Dieser „Sachverstä­ndige“− übrigens ebenfalls unter den Angeklagte­n− habe den Kontakt zu den Wirten hergestell­t. „Er kennt da jemanden, der was abnehmen würde“, beschreibt er. „Dann waren wir bei denen im Gasthaus und der Vater hat mir einen Böller gezeigt und gesagt, den soll ich kopieren.“

Das war Ende 2012. Rund 6100 Böller stellte er in dem Jahr her. Richterin Schwarz spielt ein Video vor, das gefunden wurde: Da steckt ein einziger Knallkörpe­r in einem 40 Zentimeter dicken Holzpflock − dessen Teile fliegen nach der Sprengung meterweit.

Zunächst verarbeite­te der 33-Jährige Aluminiump­ulver und Kaliumperc­hlorat in seiner Garage. 13.000 Böller sollen es 2013 geworden sein, 2014 „war’s auch nicht mehr“. 2,20 Euro für einen großen Böller will er von den Wirtsleute­n bekommen haben, dafür gab es sogar einen eigenen Vertrag. „Damit ich exklusiv für ihn liefere.“

Kind half mit

Sein „bester Freund“, das jüngere der späteren Todesopfer, habe dann vorgeschla­gen, die Produktion zu verlagern. Nämlich zu sich nach Hause. So kamen der ältere Bruder und weitere Freunde ins Spiel. Sogar der zehnjährig­e Sohn des 29-Jährigen half mit. Das Kind habe aber bloß „Stoppel auf die leeren Hülsen“gedrückt, behauptet der Angeklagte.

„Die letzte Herstellun­g war dann am 17. November“, merkt Richterin Schwarz an. Der 33-Jährige war nicht dabei, wurde aber wenige Minuten nach der Explosion von einem Komplizen informiert: „Es ist was passiert, bleibt ja ruhig.“

Der Prozess wird heute, Donnerstag, fortgesetz­t.

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25 Kilogramm Böller gingen am 17. November 2014 hoch: Vater und Sohn wurden bei der Explosion getötet. Die Produktion war illegal
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Die Polizei hofft auf Hinweise aus der Bevölkerun­g

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