Der Preis des Erfolgs
Im Fall Elena Ferrante prallen Literatur, Emotion und Journalismus aufeinander
Mit der Literatur ist man immer alleine: Lesen ist die vielleicht privateste Form, Kunst zu konsumieren.
Aber gilt das auch für das Schreiben? Die Fans der italienischen Bestsellerautorin Elena Ferrante und auch viele Autoren finden: ja. Und sie lassen das auch lautstark wissen: Nach der angeblichen Aufdeckung der wahren Identität Ferrantes – der Name ist ein Pseudonym – gibt es heftige Vorwürfe gegen den Journalisten.
Der behauptet, es handle sich bei Ferrante („Meine geniale Freundin“) in Wahrheit um die bisher als literarische Übersetzerin bekannte Anita Raja. Der Interessensgewinn der Enthüllung war, schrieb der KURIER, gering: Es wird eine unbekannte Frau durch eine andere ersetzt.
Die Reaktion aber war gewaltig. Die Aufdeckung sei eine Verletzung des Rechts auf Privatheit, auch gegenüber den Lesern, so der Tenor in Ar- tikeln und Sozialmedien. Dem Journalisten wird u. a. Sexismus vorgeworfen, da er „aus dem Nein Ferrantes ein Ja“mache, wie Alexandra Schwartz im renommierten Magazin New Yorker geschrieben hat. Es werde der Wunsch der Autorin missachtet, anonym bleiben zu dürfen – was die männlich domi- nierten Machtverhältnisse im Literaturbetrieb zementiere.
„Ich bin Elena Ferrante“, schrieb Salman Rushdie auf Facebook.
Ferrante hatte zuvor die Wichtigkeit ihrer Anonymität betont und angekündigt, im Falle einer Aufdeckung aufzuhören, zu publizieren. Ein angeblicher Twitter-Ac- count Ferrantes entpuppte sich rasch als Fälschung.
Der Journalist, Claudio Gatti, verteidigte sich in der New York Times: Er habe auf das Geheimnis, aber nicht auf die Person abgezielt, sagte er. Er kenne keinen Fall, in dem ein Kunstwerk Schaden erlitten habe, weil der Verfasser bekannt geworden ist.