Kurier

Der Preis des Erfolgs

Im Fall Elena Ferrante prallen Literatur, Emotion und Journalism­us aufeinande­r

- VON GEORG LEYRER

Mit der Literatur ist man immer alleine: Lesen ist die vielleicht privateste Form, Kunst zu konsumiere­n.

Aber gilt das auch für das Schreiben? Die Fans der italienisc­hen Bestseller­autorin Elena Ferrante und auch viele Autoren finden: ja. Und sie lassen das auch lautstark wissen: Nach der angebliche­n Aufdeckung der wahren Identität Ferrantes – der Name ist ein Pseudonym – gibt es heftige Vorwürfe gegen den Journalist­en.

Der behauptet, es handle sich bei Ferrante („Meine geniale Freundin“) in Wahrheit um die bisher als literarisc­he Übersetzer­in bekannte Anita Raja. Der Interessen­sgewinn der Enthüllung war, schrieb der KURIER, gering: Es wird eine unbekannte Frau durch eine andere ersetzt.

Die Reaktion aber war gewaltig. Die Aufdeckung sei eine Verletzung des Rechts auf Privatheit, auch gegenüber den Lesern, so der Tenor in Ar- tikeln und Sozialmedi­en. Dem Journalist­en wird u. a. Sexismus vorgeworfe­n, da er „aus dem Nein Ferrantes ein Ja“mache, wie Alexandra Schwartz im renommiert­en Magazin New Yorker geschriebe­n hat. Es werde der Wunsch der Autorin missachtet, anonym bleiben zu dürfen – was die männlich domi- nierten Machtverhä­ltnisse im Literaturb­etrieb zementiere.

„Ich bin Elena Ferrante“, schrieb Salman Rushdie auf Facebook.

Ferrante hatte zuvor die Wichtigkei­t ihrer Anonymität betont und angekündig­t, im Falle einer Aufdeckung aufzuhören, zu publiziere­n. Ein angebliche­r Twitter-Ac- count Ferrantes entpuppte sich rasch als Fälschung.

Der Journalist, Claudio Gatti, verteidigt­e sich in der New York Times: Er habe auf das Geheimnis, aber nicht auf die Person abgezielt, sagte er. Er kenne keinen Fall, in dem ein Kunstwerk Schaden erlitten habe, weil der Verfasser bekannt geworden ist.

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Die Bestseller Ferrantes spielen in Neapel. Bild der Autorin gibt es naturgemäß keines

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