Kurier

„Das ist ein großer, trauriger Witz“

Freude beim Satiriker, Zorn in Ankara: Für Merkel wird die Causa Nachwehen haben

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

Das Kanzleramt will die ganze Chose nicht mehr kommentier­en. „Es ist alles gesagt“, sagt Angela Merkels Sprecher am Mittwoch, weitere Wortspende­n gäbe es keine. Es scheint, als ob man nach der Entscheidu­ng der Staatsanwa­ltschaft, die von Recep Tayyip Erdoğan angestreng­ten Untersuchu­ngen im Fall Böhmermann einzustell­en, schnellste­ns zur Tagesordnu­ng übergehen will.

So einfach dürfte allerdings nicht werden. Die Regierung in Ankara ist nämlich ziemlich verstimmt: „Das ist ein Armutszeug­nis für die deutsche Justiz“, empörte sich Mustafa Yeneroglu, ein deutsch-türkischer AKP-Abgeordnet­er und Vertrauter des Präsidente­n. Die Einstellun­g sei „ein Skandal“; Erdoğan werde dagegen Beschwerde einlegen.

Jan Böhmermann reagierte klarerweis­e anders. Für ihn ist die Einstellun­g ein Triumph, auch über die Kanzlerin, die die Sache mit ihrem Placet für die Ermittlung­en ja erst groß werden ließ. In einem Video-Statement freute er sich darüber, dass die Staatsanwa­ltschaft ihn für einen „unseriösen Quatschvog­el“halte, der „beruflich Blödsinn macht“; daneben brachte er auch ernsthafte Kritik an. Das Theater um die Causa sei angesichts der Tatsache, dass in der Türkei Menschen in Haft säßen, weil sie sich kritisch mit dem Staat auseinande­rsetzten, ein „großer, trauriger Witz“, sagte er. „Wenn ein Witz eine Staatskris­e auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes, sondern des Staates“, sagte er mit Verweis auf die Meinungsfr­eiheit, bevor er mit dem Monty-Python-Klassiker „Always look on the bright side of life“schloss.

Eine neue Ohrfeige für Erdoğan, wie mancher Beobachter mutmaßte, verteilte er nicht. Vorüber ist die Sache aber weder für ihn, auf den noch der privatrech­tliche Teil der Anzeige wartet, noch für die Kanzlerin. Erste Nachwehen bekam sie schon zu spüren: Eine Gruppe Bundestags­mandatare, die nach langem Gezerre endlich die NATO-Basis Incirlik auf türkischem Boden besuchen durfte, wurde das Gespräch mit der türkischen Regierung verweigert – ohne Angabe von Gründen.

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Der Zwist zwischen Merkel und Erdoğan legte sich langsam – jetzt wird erneut scharf geschossen
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Jan Böhmermann freute sich, kritisiert­e Ankara aber erneut

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