Was wird aus dem „Hitler-Haus“?
Eigentlich gibt es in der oberösterreichischen Stadt drei Häuser, in denen Hitler gewohnt hat
Hitlers Geburtshaus ist in aller Munde – und schon geht es wieder los: Freitag Abend wurden, wie der KURIER berichtete, auf dem Gebäude in Braunau Nazi-Schmierereien entdeckt und zur Anzeige gebracht. Polizisten fotografierten zwei mit dickem Filzstift hingekritzelte Hakenkreuze sowie die Ziffern „88“(88 gilt, da „H“der achte Buchstabe im Alphabet ist, bei Neonazis als Synonym für „Heil Hitler“).
Zeit also, dass endlich über die Zukunft des seit Jahren leer stehenden, im 17. Jahrhundert gebauten, denkmalgeschützten Hauses nicht nur geredet wird. Sondern, dass etwas geschieht. Anfang der Woche hieß es noch, das Gebäude würde abgerissen, tags darauf sollte es nur architektonisch verändert werden. Was konkret aus dem Haus wird, ist immer noch offen.
Alois und Klara Hitler
Mehr als über die Zukunft weiß man von der Geschichte des Braunauer Altbaues mit der Adresse „Salzburger Vorstadt 15“. Hier lebte der Zollbeamte Alois Hitler mit seiner Frau Klara, die am 20. April 1889 in einer kleinen Mietwohnung im 2. Stock Adolf Hitler als drittes von sechs Kindern zur Welt brachte.
Das Haus gehörte damals einem Ehepaar Dafner, das im Erdgeschoß einen Gasthof betrieb. Hitler verbrachte nur zwei Monate in dem Haus, danach übersiedelte seine Familie an zwei weitere Adressen in Braunau. Von ihnen ist in der Berichterstattung kaum je die Rede, obwohl der spätere „Führer“dort viel länger gelebt hat als in sei- nem Geburtshaus: ein Jahr (von Juni 1889 bis 31. 8. 1890) verbrachte er im Haus Altstadt Nr. 16 und zwei Jahre (1. 9. 1890 bis 30. 8. 1892) in der Linzer Straße 47. Von dieser letzten Braunauer Adresse zog die Familie nach Passau.
Später empfand es Hitler als „glückliche Bestimmung, dass das Schicksal mir Braunau zum Geburtsort zuwies, weil dieses Städtchen an der Grenze jener zweier deutscher Staaten liegt, deren Wiedervereinigung uns Jüngeren als Lebensaufgabe erscheint“.
Neue Hausherren
Im Jahr 1912, das der gescheiterte Kunstmaler Hitler schon in einem Wiener Obdachlosen-Asyl zubrachte, ging sein Geburtshaus in den Besitz der Familie Pommer über. Der Name Pommer scheint im Grundbuch von Braunau auch heute, mehr als 100 Jahre später, noch auf: Die derzeitige Besitzerin des „Hitler-Hauses“heißt Gerlinde Pommer.
Dabei hatte die Familie das Gebäude bald nach dem „Anschluss“im März 1938 an die NSDAP verkauft, die das Haus, in dem ihr Idol das Licht der Welt erblickt hatte, zum „Kulturzentrum“erklärte. Hitlers Privatsekretär Martin Bormann leitete die Kaufverhandlungen und zahlte der Familie Pommer mit 150.000 Reichsmark den vierfachen Betrag des tatsächlichen Wertes.
Gegen Ende des Krieges schwand das Interesse an dem symbolträchtigen Eckhaus, im Mai 1945 sollte es sogar von einem deutschen Stoßtrupp gesprengt werden, was von US-Soldaten verhindert wurde. Jetzt wollte keiner mehr etwas von dem insgesamt rund 500 Quadratmeter großen Gebäude wissen – mit Ausnahme der Familie Pommer, die es 1952 zurückkaufte. Für 150.000 Schilling, die einem Bruchteil des einstigen Verkaufspreises entsprachen.
In dritter Generation
Gerlinde Pommer besitzt das „Hitler-Haus“heute in dritter Generation. Nach dem Krieg beherbergte es eine Stadtbücherei, eine Bankfiliale und zwei Schulen. Seit 1972 ist das Innenministerium Hauptmie- ter des Gebäudes, um zu verhindern, dass es von NaziAnhängern missbräuchlich verwendet wird. Bis 2011 war das Haus an die Behinderten-Institution „Lebenshilfe“untervermietet. Als jedoch Umbauten für einen Lift und einen barrierefreien Zugang nötig wurden, verweigerte Gerlinde Pommer ihre Zustimmung, worauf die „Lebenshilfe“ein für ihre Zwecke geeignetes Objekt bezog.
Frau Pommer bekommt monatlich 4800 Euro, da das Innenministerium die Miete weiterzahlt, obwohl das Haus leer steht. Eigenartig auch, dass Frau Pommer es 1989 ablehnte, eine vom damaligen Bürgermeister initiierte Gedenktafel an der Hausfassa- de anbringen zu lassen. Worauf ein Mahnstein mit der Aufschrift „Für Frieden, Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen“vor dem Haus, auf öffentlichem Grund, aufgestellt wurde. Alle Gespräche, die Innenministerium und Stadtverwaltung mit der Eigentümerin über die Zukunft des Gebäudes geführt haben, blieben ergebnislos. Was zur Folge hat, dass es vermutlich heuer noch enteignet wird.
Falsche Gerüchte
Gerüchte, die zuletzt wieder in Medien auftauchten, dass Hitler gar nicht im Haus „Salzburger Vorstadt 15“zur Welt gekommen sei, sondern in einem inzwischen abgerissenen Nebengebäude oder gar auf einer Brücke in Braunau, entbehren jeder Grundlage, sagt der Braunauer Historiker Florian Kotanko: „Es gibt keinen seriösen Hinweis darauf, dass Hitler nicht in dieser Wohnung geboren wurde, das sind wohl Erfindungen ahnungsloser Leute.“
Die Zukunft des Hauses
Niemand hat sich über die Zukunft des „Hitler-Hauses“so viele Gedanken gemacht wie der Innsbrucker Politologe Andreas Maislinger, der seit 16 Jahren eine Nutzung als „Haus der Verantwortung“fordert. „In dem Haus soll die Geschichte der Stadt und des Gebäudes dokumentiert sein, weiters ist es als Treffpunkt für junge Menschen aus aller Welt gedacht, die wir einladen, sich an Projekten der Verständigung und des Friedens zu beteiligen.“Maislinger ist sich im Klaren darüber, „dass das Gebäude immer Hitlers Geburtshaus bleiben wird, daher wird man sich hier auch immer mit den Schrecken der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen müssen“.
Andreas Maislinger war es auch, der die Nazi-Schmierereien auf Hitlers Geburtshaus am Freitag bei der Polizei in Braunau zur Anzeige nach dem Verbotsgesetz gebracht hat.
georg.markus@kurier.at