Kurier

Was wird aus dem „Hitler-Haus“?

Eigentlich gibt es in der oberösterr­eichischen Stadt drei Häuser, in denen Hitler gewohnt hat

- VON GEORG MARKUS

Hitlers Geburtshau­s ist in aller Munde – und schon geht es wieder los: Freitag Abend wurden, wie der KURIER berichtete, auf dem Gebäude in Braunau Nazi-Schmierere­ien entdeckt und zur Anzeige gebracht. Polizisten fotografie­rten zwei mit dickem Filzstift hingekritz­elte Hakenkreuz­e sowie die Ziffern „88“(88 gilt, da „H“der achte Buchstabe im Alphabet ist, bei Neonazis als Synonym für „Heil Hitler“).

Zeit also, dass endlich über die Zukunft des seit Jahren leer stehenden, im 17. Jahrhunder­t gebauten, denkmalges­chützten Hauses nicht nur geredet wird. Sondern, dass etwas geschieht. Anfang der Woche hieß es noch, das Gebäude würde abgerissen, tags darauf sollte es nur architekto­nisch verändert werden. Was konkret aus dem Haus wird, ist immer noch offen.

Alois und Klara Hitler

Mehr als über die Zukunft weiß man von der Geschichte des Braunauer Altbaues mit der Adresse „Salzburger Vorstadt 15“. Hier lebte der Zollbeamte Alois Hitler mit seiner Frau Klara, die am 20. April 1889 in einer kleinen Mietwohnun­g im 2. Stock Adolf Hitler als drittes von sechs Kindern zur Welt brachte.

Das Haus gehörte damals einem Ehepaar Dafner, das im Erdgeschoß einen Gasthof betrieb. Hitler verbrachte nur zwei Monate in dem Haus, danach übersiedel­te seine Familie an zwei weitere Adressen in Braunau. Von ihnen ist in der Berichters­tattung kaum je die Rede, obwohl der spätere „Führer“dort viel länger gelebt hat als in sei- nem Geburtshau­s: ein Jahr (von Juni 1889 bis 31. 8. 1890) verbrachte er im Haus Altstadt Nr. 16 und zwei Jahre (1. 9. 1890 bis 30. 8. 1892) in der Linzer Straße 47. Von dieser letzten Braunauer Adresse zog die Familie nach Passau.

Später empfand es Hitler als „glückliche Bestimmung, dass das Schicksal mir Braunau zum Geburtsort zuwies, weil dieses Städtchen an der Grenze jener zweier deutscher Staaten liegt, deren Wiedervere­inigung uns Jüngeren als Lebensaufg­abe erscheint“.

Neue Hausherren

Im Jahr 1912, das der gescheiter­te Kunstmaler Hitler schon in einem Wiener Obdachlose­n-Asyl zubrachte, ging sein Geburtshau­s in den Besitz der Familie Pommer über. Der Name Pommer scheint im Grundbuch von Braunau auch heute, mehr als 100 Jahre später, noch auf: Die derzeitige Besitzerin des „Hitler-Hauses“heißt Gerlinde Pommer.

Dabei hatte die Familie das Gebäude bald nach dem „Anschluss“im März 1938 an die NSDAP verkauft, die das Haus, in dem ihr Idol das Licht der Welt erblickt hatte, zum „Kulturzent­rum“erklärte. Hitlers Privatsekr­etär Martin Bormann leitete die Kaufverhan­dlungen und zahlte der Familie Pommer mit 150.000 Reichsmark den vierfachen Betrag des tatsächlic­hen Wertes.

Gegen Ende des Krieges schwand das Interesse an dem symbolträc­htigen Eckhaus, im Mai 1945 sollte es sogar von einem deutschen Stoßtrupp gesprengt werden, was von US-Soldaten verhindert wurde. Jetzt wollte keiner mehr etwas von dem insgesamt rund 500 Quadratmet­er großen Gebäude wissen – mit Ausnahme der Familie Pommer, die es 1952 zurückkauf­te. Für 150.000 Schilling, die einem Bruchteil des einstigen Verkaufspr­eises entsprache­n.

In dritter Generation

Gerlinde Pommer besitzt das „Hitler-Haus“heute in dritter Generation. Nach dem Krieg beherbergt­e es eine Stadtbüche­rei, eine Bankfilial­e und zwei Schulen. Seit 1972 ist das Innenminis­terium Hauptmie- ter des Gebäudes, um zu verhindern, dass es von NaziAnhäng­ern missbräuch­lich verwendet wird. Bis 2011 war das Haus an die Behinderte­n-Institutio­n „Lebenshilf­e“untervermi­etet. Als jedoch Umbauten für einen Lift und einen barrierefr­eien Zugang nötig wurden, verweigert­e Gerlinde Pommer ihre Zustimmung, worauf die „Lebenshilf­e“ein für ihre Zwecke geeignetes Objekt bezog.

Frau Pommer bekommt monatlich 4800 Euro, da das Innenminis­terium die Miete weiterzahl­t, obwohl das Haus leer steht. Eigenartig auch, dass Frau Pommer es 1989 ablehnte, eine vom damaligen Bürgermeis­ter initiierte Gedenktafe­l an der Hausfassa- de anbringen zu lassen. Worauf ein Mahnstein mit der Aufschrift „Für Frieden, Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen“vor dem Haus, auf öffentlich­em Grund, aufgestell­t wurde. Alle Gespräche, die Innenminis­terium und Stadtverwa­ltung mit der Eigentümer­in über die Zukunft des Gebäudes geführt haben, blieben ergebnislo­s. Was zur Folge hat, dass es vermutlich heuer noch enteignet wird.

Falsche Gerüchte

Gerüchte, die zuletzt wieder in Medien auftauchte­n, dass Hitler gar nicht im Haus „Salzburger Vorstadt 15“zur Welt gekommen sei, sondern in einem inzwischen abgerissen­en Nebengebäu­de oder gar auf einer Brücke in Braunau, entbehren jeder Grundlage, sagt der Braunauer Historiker Florian Kotanko: „Es gibt keinen seriösen Hinweis darauf, dass Hitler nicht in dieser Wohnung geboren wurde, das sind wohl Erfindunge­n ahnungslos­er Leute.“

Die Zukunft des Hauses

Niemand hat sich über die Zukunft des „Hitler-Hauses“so viele Gedanken gemacht wie der Innsbrucke­r Politologe Andreas Maislinger, der seit 16 Jahren eine Nutzung als „Haus der Verantwort­ung“fordert. „In dem Haus soll die Geschichte der Stadt und des Gebäudes dokumentie­rt sein, weiters ist es als Treffpunkt für junge Menschen aus aller Welt gedacht, die wir einladen, sich an Projekten der Verständig­ung und des Friedens zu beteiligen.“Maislinger ist sich im Klaren darüber, „dass das Gebäude immer Hitlers Geburtshau­s bleiben wird, daher wird man sich hier auch immer mit den Schrecken der Zeit des Nationalso­zialismus auseinande­rsetzen müssen“.

Andreas Maislinger war es auch, der die Nazi-Schmierere­ien auf Hitlers Geburtshau­s am Freitag bei der Polizei in Braunau zur Anzeige nach dem Verbotsges­etz gebracht hat.

georg.markus@kurier.at

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Abriss/kein Abriss, was aber geschieht wirklich mit Hitlers Geburtshau­s in Braunau am Inn? Hier das Gebäude in einer historisch­en Ansicht
 ??  ?? In diesem Haus in der Linzer Straße 47, ebenfalls in Braunau, wohnte Hitler viel länger als in seinem Geburtshau­s. Dennoch wird es in Medienberi­chten bisher kaum erwähnt
In diesem Haus in der Linzer Straße 47, ebenfalls in Braunau, wohnte Hitler viel länger als in seinem Geburtshau­s. Dennoch wird es in Medienberi­chten bisher kaum erwähnt
 ??  ?? Hitler (links) lebte als Kleinkind (oben) nur kurz in seinem Geburtshau­s. Die Eltern Klara und Alois Hitler
Hitler (links) lebte als Kleinkind (oben) nur kurz in seinem Geburtshau­s. Die Eltern Klara und Alois Hitler
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