„Willst du einen Kuhstall kaufen?“
Wie die Mikrokreditbank Oikocredit mithalf, die Abwanderung zu verringern
Auf den ersten Blick ist das kleine Dörfchen Slavyanovo im Nordosten Bulgariens ein Ort viele andere: Häuser mit Gärten rundherum, eine Kirche, eine Schule. Erst wer genauer hinsieht, erkennt: Irgendetwas stimmt hier nicht. Es fehlen nämlich die Menschen. Nur wenige Alte sind geblieben. Die meisten haben das Dorf nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und der Pleite der landwirtschaftlichen Kooperative, die den Leuten Arbeit gab, in Richtung Westeuropa verlassen.
Die Abwanderung ist auch in der nahe gelegenen Kleinstadt Popovo zu spüren, Gerade einmal die Hälfte der Einwohner von früher ist noch hier. Der Tierarzt Dobromir Dobrev ist einer davon. „Es war Mitte der 1990er-Jahre, als mich jemand fragte: Willst du einen Kuhstall kaufen?“, erzählt er. Er wollte und setzte damit den Grundstein für ein landwirtschaftliches Projekt, das heute zum neuen Lebenselixier der Region geworden ist.
Der Kuhstall war Teil der inzwischen total heruntergekommenen Landwirtschaftskooperative. „Es gab ein paar sehr dünne Kühe. Aber das meiste sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Alle Gebäude kaputt, jedwedes Metall fehlte, alles weg“, erinnert sich Dobrev.
Geldmangel
Zum Neuanfang aber fehlte ihm das Geld und obwohl er seinen Freund Ogniyan Og
niyanvo, einen Bank- mitarbeiter, überredet hatte, in sein Projekt einzusteigen, war keine Bank bereit, dafür einen Kredit zu gewähren.
Aufwärts ging es erst, als die beiden auf Oikocredit gestoßen waren und von der Mikrokreditbank eine Projektfinanzierung erhielten. Mit dem Geld – über die Jahre insgesamt 5,5 Millionen Euro – renovierten sie die Stallungen, kauften Geräte und pachteten landwirtschaftlichen Grund von den Einheimischen. 880 Kühe haben sie heute, 3000 Hektar Grund, auf denen Weizen, Mais und Sonnenblumen angebaut werden, und 120 Mitarbeiter. „Aber es ist noch immer schwierig, Experten hierher zu bekommen“, sagt Dobrev, dem es nicht an Ausbauplänen mangelt.
Vor wenigen Jahren hat er eine Biogasanlage von der österreichischen Firma Biogest erworben. Dort wird das Gas aus dem Kuhmist in Strom umgewandelt, der das Unternehmen versorgt. Jetzt will er noch eine eigene Molkerei errichten und Käse erzeugen. Oikocredit Die Bank wurde in den 1970erJahren von kirchlichen Organisationen und Entwicklungshilfe-Gruppen gegründet. Sie vergibt Kleinstkredite an Arme, denen Banken niemals Geld geben würden. Die Mittel, die Oikocredit vergibt, sind Einlagen ihrer Genossenschafter. Die Einlage wird fix mit zwei Prozent verzinst. Genossenschafter kann jeder ab 200 Euro Einlage werden. Harter Wettbewerb Geschäftsbanken haben in jüngster Zeit den Markt der Mikrokredite für sich entdeckt und machen Oikocredit zunehmend Konkurrenz. Die Finanzierung des riskanteren Projektstarts überlassen sie Oikocredit, sobald das Projekt aber läuft, unterbieten sie die Konditionen der Mikrokreditbank und übernehmen die Finanzierung. Oikocredit geht daher nun auch in größere Finanzierungen und setzt den Fokus auf erneuerbare Energie.