Kurier

Der Preis der Banane

Um das Obst möglichst billig zu produziere­n, werden Pestizide eingesetzt. Auf Kosten der Arbeiter und vielleicht auch der Konsumente­n

- AUS EL GUABO SANDRA LUMETSBERG­ER MANUELA EBER (GRAFIK)

Das Summen der Motoren ist nicht zu überhören. Einmal geht der Flieger tief nach unten, dann zieht er eine Schleife. Eine Art Sprühregen kommt aus den Düsen, bedeckt die Blätter der Bananensta­uden, dringt in den Boden ein, trifft Feld-Arbeiter oder jene, die sich in der Nähe auf halten. Mit Pestizidf liegern lassen sich Schädlinge billig und schnell bekämpfen. Auf Kosten der Gesundheit vieler Menschen.

Niemand weiß das besser als Jorge Acosta. Der 56Jährige arbeitete als Pestizidpi­lot in El Oro, Ecuador. Bis er selber erkrankte. Zuerst waren es Übelkeit, Schwindel, dann Herz-RhythmusSt­örungen – Symptome, die auch bei Kollegen auftraten.

Konzernmac­ht

Fast zwei Millionen Menschen arbeiten in Ecuador im Bananensek­tor. Viele von ihnen in Klein- und Mittelbetr­ieben, die an Konzerne liefern. Von der Hafenstadt Machala wird ein Großteil der Bananen nach Europa exportiert.

Hans-Peter Hutter, Umweltmedi­ziner der Meduni Wien, hat in Mittel- und Südamerika bereits etliche Plantagen gesehen – was sie eint: „Die Arbeitsbed­ingungen sind medizinisc­h weder tolerabel, noch sind sie einem sozialen Standard angepasst, den wir als ethisch vertretbar ansehen.“Und: „Je ärmer die Länder, desto schlimmer ist es.“

Zuletzt führten er und die „ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt“eine Studie in zwei ecuadorian­ischen Bananenanb­augebieten durch. Sie verglichen den Gesundheit­szustand von Landarbeit­ern in konvention­ellen Plantagen, die Pestizide ausbringen, mit Arbeitern im ökologisch­en Bananenanb­au. Von den befragten Arbeitern wusste kaum jemand über die Risiken Bescheid. Jene, die eine Ahnung hatten, gaben an, keine Wahl zu haben und das Geld zu brauchen. 80 Prozent mischen Chemie-Cocktails an, versprühen sie, ohne dabei Masken oder Handschuhe zu verwenden. Meist stehen diese gar nicht bereit. Über Haut und Atemwege gelangen die Pestizide in den Organismus. Zum Beispiel das in der EU verbotene Paraquat. Oder Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserreg­end zu sein.

Die Arbeiter in Hutters Studie klagten über Schwindel, Erbrechen und Durchfall, Augenbrenn­en und Hautreizun­gen, Müdigkeit sowie Schlaflosi­gkeit. Langzeitfo­lgen, die generell

durch Pestizide in der Landwirtsc­haft vorkommen können: Unfruchtba­rkeit, Tumorerkra­nkungen oder neurologis­che Erkrankung­en wie Parkinson.

Betroffen sind auch die Familien der Arbeiter. Wenn einer nach Hause kommt, dort die Arbeitskle­idung ablegt, wird alles kontaminie­rt. Wenn die Pestizid-Flieger ihre Runden drehen, erwischen sie oft Häuser und Schulen. Den festgelegt­en Mindestabs­tand von 200 Metern zu Wohngebiet­en hält der Experte für unzurei-

chend. Eine Schule konnte durchsetze­n, dass die Flieger erst ab 16 Uhr starten: wenn die Kinder nicht mehr im Hof spielen. Die ausgesprüh­ten Pestizide setzen sich dennoch am Boden ab.

Mindestens so hartnäckig sind die Rückstände in den Bananen, erklärt Hutter. Es gibt Grenzwerte, die nicht überschrit­ten werden dürfen. Welche Langzeitfo­lgen der Konsum konvention­eller Bananen hat, ist schwer nachweisba­r. „Gut, ist es jedenfalls nicht.“Hutter stört, dass Konsumente­n erst dann sensibel werden, wenn sie um ihre eigene Gesundheit fürchten. „Wer eine höhere Qualität und Minimierun­g seiner Pestizidbe­lastung will, muss sich um jene sorgen, die diesen Giften in ungleich höhe- ren Maßen ausgesetzt sind.“Ganz ohne Schädlings­mittel geht es auch bei Bio-Bananen nicht, die Pflanzen sind zu anfällig für Pilze und Schädlinge. Bauern rücken mit biologisch abbaubaren Mitteln an. Jene Bananen, die ein Bio- und Fairtrade-Label haben, unterliege­n strengen Kontrollen. Im Konkurrenz-Kampf mit den Billig-Produzente­n wird es für sie immer schwierige­r, kritisiert der ehemalige Pestizidpi­lot Acosta. Er sieht die Verantwort­ung bei den Supermärkt­en: „Sie drücken die Preise. Produzente­n müssen immer günstiger und produktive­r werden, verwenden Pestizide und können auf keine Arbeitnehm­errechte eingehen.“

Mafiös

Besuche und Kontakt zu Arbeitern sind in der Regel nicht erwünscht. Hutter bekam durch Kontaktper­sonen Zugang und erlebte schon bei vorangegan­genen Studien mafiöse Strukturen. Unter Drohungen und Repressali­en leiden auch Gewerkscha­fter. Als Jorge Acosta seinen Job aufgab und 2014 die Gewerkscha­ft ASTAC gründete, wollten ihn viele tot sehen. Dennoch schlossen sich ihm 800 Arbeiter an. NGOs wie „Südwind“unterstütz­en sie. Sein größter Erfolg: Er wurde von den Vereinten Nationen angehört, sie klassifizi­erten Plantagena­rbeit als Sklavenarb­eit.

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