Kurier

49 + 51 sollte 90 ergeben

Sein neuestes Buch ist eine Kleinigkei­t, die Angst machen will

- VON PETER PISA

„Es“beginnt wie Stephen King, einsames Haus und Vater, Mutter, Kind und so. Aber „es“ist nicht Stephen King.

„Es“geht über in Haruki Murakami, höchst geheimnisv­oll also, und wenn der Held – ein schwächeln­der Autor übrigens – zum Geodreieck greift, dann ist der Höhepunkt erreicht:

Ein rechter Winkel, 90 Grad, wird gezeichnet und sodann in zwei Winkel unterteilt. Zählt man nun diese beiden zusammen, no, man sollte meinen, dass sie zusammen 90 Grad ergeben.

„Ich starrte die Zeichnunge­n an. Etwas war irritieren­d ...“Klar, weil der eine Winkel 49 Grad maß und der andere 51.

49 + 51 = 100.

Mehr Zeilen

Beim Japaner Murakami würden wahrschein­lich zusätzlich zwei Monde aufgehen und ein Mann, der wie ein Schaf aussieht, würde ums Geodreieck tanzen. Aber „es“ist nicht Murakami.

Sondern das neue Buch von Daniel Kehlmann: „Du hättest gehen sollen“.

Ein dünnes Buch – angeblich wollte Kehlmann bei dem Trend, dicke Bücher um die 1000 Seiten zu schreiben, nicht mitmachen.

Seine Erzählung hat aber immerhin mehr Zeilen als die vielen Empfehlung­en bzw. Vorwörter bzw. Nachwörter, die man von dem gebürtigen Münchner des Öfteren irgendwo lesen kann.

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Satt wird man nicht davon. „Du hättest gehen sollen“ist eine verwirrend­e Kleinigkei­t, aber nicht auf die angenehme Art verwirrend: Man wird das Rätsel leider nicht mitschlepp­en, man wird nichts zum Knabbern haben, man wird nicht daran wachsen.

Der 41-Jährige, der seit „Die Vermessung der Welt“(2005) viel Aufmerksam­keit auf sich zieht, fährt sozusagen in die Berge.

Ein Ferienhaus wurde gemietet, und zwar über Airbnb. Bissl Werbung kann Daniel Kehlmann: „Du hättest gehen sollen“Rowohlt. 96 Seiten. 15,50 Euro. KURIER-Wertung: nicht schaden. (Bei Stephen King kommen ja auch immer so feine Sachen vor, meist Apple-Produkte.)

Der Icherzähle­r, ein namenloser Drehbuchau­tor, steht ziemlich unter Druck. Er soll die Fortsetzun­g zur gewiss schrecklic­hen Filmkomödi­e „Allerbeste Freundinne­n“abliefern, es fällt ihm nicht viel ein, er wird scheitern, untergehen.

Wollte er wirklich ausgerechn­et hier seine Schreibblo­ckade lösen? Die vierjährig­e Tochter plappert unentwegt, die Ehefrau benimmt sich höchst unnatürlic­h – jessas, sie hat einen Geliebten! Am Handy wird man es, wie immer, erkennen!

Oben im Tal

Was macht man mit einer solchen Geschichte? Sie direkt in den Wahnsinn führen. In einen Nebel des Schreckens. Vielleicht ist im Spiegel kein Bild. Das könnte man dann so weit spinnen, dass man nachts aus dem Haus flüchtet, talwärts, immer talwärts ... und nach Stunden oben, beim Haus, ankommt.

Oder wenn’s an der Haustür klopft: Die Angst, dass man sich selbst gegenübers­teht, ist groß. Bei Stephen King wäre sie allerdings ehrlich noch viel größer.

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Gegen den Trend, dicke Bücher zu schreiben: Daniel Kehlmann
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