Kurier

Flüchtling­e und Erdbeben: Renzi wütend über Spardruck der EU

Regierung in Rom bleibt trotz der Mahnungen der EU-Kommission im Defizit-Streit hart.

- VON ULRIKE BOTZENHART

Die EU-Kommission erhöht den Druck auf Italiens Regierung, die für 2017 erwartete Neuverschu­ldung zu reduzieren. Noch am Montag wurde laut italienisc­hen Medien in Rom mit einem mahnenden Brief aus Brüssel gerechnet: Entweder Italien reduziert sein Defizit im nächsten Jahr – oder es riskiert Sanktionen. In Brüssel hieß es hingegen, man bitte Rom nur um „Klarstellu­ngen“.

Premier Matteo Renzi hatte bereits zuvor klargestel­lt, dass er sich dem Spardruck der EU nicht beugen werde. Italiens Wirtschaft brauche dringend Steuererle­ichterunge­n und Investitio­nen, umdie Wettbewerb­s- fähigkeit der Unternehme­n anzukurbel­n. Zudem erwachsen Italien durch den Flüchtling­sansturm und das Erdbeben im August hohe Kosten. Deshalb ist das Budgetdefi­zit 2017 jetzt mit 2,3 Prozent des BIP veranschla­gt, statt wie mit Brüssel Anfang des Jahres vereinbart mit 1,8 Prozent. An sich sind ohnehin drei Prozent des BIP laut Maastricht­Regeln erlaubt. Aber Italiens Gesamtvers­chuldung beträgt laut Eurostat bereits 135,5 Prozent statt der maximal erlaubten 60 Prozent. Damit liegt Italien nach Griechenla­nd in dieser Statistik gleich an zweiter Stelle.

Alternativ­e: Ungarn

Brüssel müsse akzeptiere­n, dass Italien zusätzlich­e Kosten durch die Flüchtling­skrise (Mehrkosten von 3,8 Milliarden Euro 2017) und den Wiederauf bau nach dem Erdbeben (4,5 Milliarden Euro) zu bewältigen habe, betonte Italiens Finanzmini­ster Pier Carlo Padoan. Vor allem im Umgang mit den Flüchtling­en, müsse sich „Europa entscheide­n, auf welcher Seite es steht“. Es könne entweder Italiens Anstrengun­gen bei der Rettung und Aufnahme von Flüchtling­en anerkennen, die über das Mittelmeer kommen, oder sich für die ungarische Option entscheide­n, die Mauern gegen Migranten vorsehe. Letzteres wäre nach Padoans Ansicht eine fatale Entscheidu­ng: „Das wäre der Anfang vom Ende für die EU.“

Allein seit Freitag wurden 6000 Migranten im Mittelmeer von der italienisc­hen Küstenwach­e in Sicherheit gebracht, darunter wieder viele unbegleite­te Minderjähr­ige. Noch immer wird Italien bei der Versorgung der Menschen von Europa im Stich gelassen. Von einer Verteilung auf alle EUStaaten redet mittlerwei­le ohnehin niemand mehr.

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Italiens Premier Renzi wehrt den Druck aus Brüssel verärgert ab

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