Kurier

EU-Anlauf gegen Steuerfluc­ht hat jetzt bessere Erfolgsaus­sichten

Steuern sollen dort bezahlt werden, wo die Firmen tätig sind – nicht dort, wo es für sie günstig ist.

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Bei den Körperscha­ft- oder Unternehme­nsteuern gleicht die EU einem Fleckerlte­ppich. Und zwar nicht nur, was die Steuersätz­e anbelangt, die stark variieren (Grafik). Das wird im Sinne des Wettbewerb­s so bleiben; wie hoch ein Land besteuert, ist jedem selbst überlassen.

Sehr wohl ein EU-Thema sind allerdings die Schlupflöc­her, die sich ergeben, weil jedes Land anders berechnet,

es besteuert. Das macht es internatio­nalen Großuntern­ehmen leicht, sich jene Länder rauszupick­en, wo wenig Steuern anfallen – siehe Amazon, Starbucks, IKEA oder Apple. Diese sogenannte aggressive Steuerplan­ung oder Gewinnvers­chiebung verursacht laut Schätzunge­n EU-weit 50 bis 70 Mrd. Euro Steuerausf­älle pro Jahr.

Die EU-Kommission unternimmt deshalb heute, Dienstag, einen neuerliche­n Anlauf, um in einem ersten Schritt die Berechnung­sart zu vereinheit­lichen. Gelten soll das verbindlic­h für alle in der EU tätigen Unternehme­n mit 750 Mio. Euro Gruppen-Umsatz oder mehr.

Große Widerständ­e

Frühere Anläufe waren am Widerstand einzelner Länder wie Großbritan­nien, Irland, Malta oder Zypern gescheiter­t. Das Problem: Steuerfrag­en müssen von den EU-Mitgliedst­aaten einstimmig beschlosse­n werden. Somit reichte es aus, wenn sich ein Land querlegte. Er sei dafür, das Prinzip der Einstimmig­keit generell und auch bei Steuerfrag­en aufzuheben, sagte Othmar Karas, Vizepräsid­ent im EU-Parlaments (ÖVP), am Montag. Damit wären Blockaden wegen „Nationaleg­oismen“– wie jene der Wallonen beim Handelspak­t CETA – ausgeschlo­ssen.

Die Steuerdeal­s von Firmen mit Luxemburg, Niederland­en oder Irland sowie die Brief kastenfirm­en in Panama und auf den Bahamas seien ein „Muntermach­er“gewesen, glaubt Karas. Er baut darauf, dass Deutschlan­d die Präsidents­chaft in der G20Gruppe großer Wirtschaft­snationen ab Dezember nützen wird, um die Steuerfluc­ht auch global zu bekämpfen.

Erste Ideen zur EU-weit einheitlic­hen Berechnung der Körperscha­ftsteuer gab es bereits 2001. Zuletzt machte die EU-Kommission 2011 Vorschläge, die aber bei den Mitgliedst­aaten stecken blieben.

„Unternehme­nssteuern sollen dort gezahlt werden, wo die wirtschaft­liche Tätigkeit stattfinde­t“, fordert Karas. Die Kommission sieht drei Kriterien vor: wo das Unternehme­n seine Vermögensw­erte hat, seine Mitarbeite­r beschäftig­t und die Umsätze erzielt. Jeder Konzern müsste eine EU-weite Steuerbasi­s berechnen, die dann auf die einzelnen Länder umgelegt würde.

Abgespeckt­e Form

Diese Konsolidie­rung wäre extrem aufwendig, gibt Bernd Hofmann, Leiter der Steuerabte­ilung bei PwC in Wien, zu bedenken. Als Vereinfach­ung für die Unternehme­n ließe sich das kaum verkaufen. Und der Aufteilung­sschlüssel gilt als umstritten, weil er direkt Einfluss auf die Steuerpoli­tik nimmt. Die EU-Kommission begnügt sich deshalb im ersten Schritt mit der einheitlic­hen Berechnung­sart. Das steigere die Erfolgsaus­sichten, dass die Mitgliedst­aaten zustimmen, glaubt Hofmann.

Für Österreich ist wichtig, dass Konstrukti­onen eliminiert werden, die über Zinsen oder Lizenzen die Steuerlast­en kleinrechn­en, heißt es im Finanzmini­sterium. Ob Österreich einen Standortvo­rteil verliert, weil es die Gruppenbes­teuerung anpassen müsste, lasse sich noch nicht analysiere­n: „Es gilt, die konkreten Vorschläge abzuwarten.“

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