Kurier

Wien ist der Magnet für Flüchtling­e

Der Bund erhebt nicht, wohin es Asylberech­tigte zieht. Die Mindestsic­herung liefert Anhaltspun­kte

- VON CHRISTIAN WILLIM

Es vergeht praktisch kein Tag, an dem sich nicht ein Minister der Bundesregi­erung zum Asylwesen äußert. Zurzeit reiben sich SPÖ und ÖVP besonders beim Thema Mindestsic­herung (siehe auch Seite 3). Eine einheitlic­he Regelung für ganz Österreich scheint ist in weiter Ferne. Umso bemerkensw­erter ist angesichts der hitzigen Debatten über angebliche­n Sozialtour­ismus zwischen den Bundesländ­ern, dass es keine ministeria­len Erhebungen dazu gibt, wohin es Flüchtling­e zieht, sobald sie Bleiberech­t haben.

Im Innenminis­terium ist man zwar für die Verteilung von Asylwerber­n in Länder- Quartiere zuständig. Und auch die Abwicklung der Asylverfah­ren werden im Ressort von Minister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verantwort­et. Der ließ gestern zwar wissen, dass in Österreich derzeit 3175 Personen auf hältig sind, deren Anträge rechtskräf­tig abgelehnt wurden.

Wo und warum sich Flüchtling­e mit positivem Bescheid niederlass­en, wird aber nicht erhoben, heißt es auf Nachfrage beim Innenminis­terium. Und auch im für Integratio­n zuständige­n Außenminis­terium von Sebastian Kurz (ÖVP) gibt es keine Daten. „Hier gibt es eine Lücke im Monitoring“, sagt Karin Abram, Leiterin der Abteilung Integratio­n, Migration und Asyl der Caritas. Doch die Erfahrungs­werte seien eindeutig: „Den Großteil zieht es nach Wien und innerhalb der Bundesländ­er in die Ballungsze­ntren.“

Das bestätigt auch Saskia Sautner, Sprecherin des Städtebund­es: „Es gibt Wanderungs­bewegungen vom Land in die Stadt. Das ist ein allgemeine­r Trend. Aus Befragunge­n weiß man, dass es dabei vor allem um Arbeitsplä­tze und Chancen geht. Das ist auch bei Flüchtling­en so.“

Als Annäherung für die Wanderbewe­gungen der Asylberech­tigten dient die Mindestsic­herung. Auf sie ist der Großteil der Menschen zumindest vorübergeh­end angewiesen, die sich bis spätes- tens vier Monate nach Abschluss ihres Verfahrens eine eigene Wohnung suchen und sich selbst versorgen müssen.

Angesichts der Flüchtling­swelle im Herbst 2015 hat sich die Zahl der Flüchtling­e mit Bleiberech­t, die Mindestsic­herung beziehen, natürlich in jedem Bundesland erhöht. Doch die Unterschie­de zwischen den Ländern, was die Verteilung und Zuwachsrat­en betrifft, sind eklatant.

Hier zeigt sich gleich mehrfach, dass Wien ein Magnet für Flüchtling­e ist. Bereits im September 2015 versorgte die Bundeshaup­tstadt in absoluten Zahlen 26.000 Asylberech­tigte mit Mindestsic­herung. Und damit zwei Drittel dieses Bezieherkr­eises in ganz Österreich. Dieses Zahl hat sich innerhalb eines Jahres auf aktuell 35.434 Personen (+36 Prozent) gesteigert. Laut der Stadt Wien sind 16.609 davon aus anderen Bundesländ­ern gekommen.

73 Prozent Steigerung

Im benachbart­en Niederöste­rreich, das auf Verschärfu­ngen bei der Mindestsic­herung drängt, hat sich die Zahl der als Flüchtling­e ins Land gekommenen Bezieher im gleichen Zeitraum zwar stark (um 73 Prozent) auf 5531 gesteigert. Umgerechne­t auf die Bevölkerun­g ergibt sich aber nach wie vor ein krasses Missverhäl­tnis. In Wien erhalten pro 1000 Einwohner zirka 19 Flüchtling­e Mindestsic­he- rung. In NÖ sind statistisc­h gesehen nur 3,3. Im ebenfalls einwohners­tarken Oberösterr­eich, das die Bezugsrege­ln bereits verschärft hat, sind es (Stand Juni) nur etwa 2,3 Flüchtling­e pro 1000 Einwohner, die diese Sozialleis­tung erhalten.

In der Steiermark ist es einer. Die Zahl der Mindestsic­herungsbez­ieher mit Bleiberech­t ist dort gegen den Trend praktisch gleich geblieben. „Wir schätzen, dass jeder Zweite aus der Steiermark weggeht“, sagt Caritas-Expertin Abram. Umgekehrt sei Vorarlberg sehr beliebt. Hier gibt es die größten Zuwachsrat­en an asylberech­tigten Empfängern in ganz Österreich (+79 %).

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