Kurier

Derby-Bilanz: 388 Anzeigen

Die Haftentlas­sung des „Unsterblic­h“-Capos heizt die Stimmung an

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Rund 100 Vermummte, die in der Quellenstr­aße in WienFavori­ten aufeinande­r losgehen, Bengalen und Böller aufeinande­r schießen. Einer davon landet sogar in einer Straßenbah­n. Ein Großteil der Fahrgäste ist panisch. Ein paar andere stürmen aus der Bim und mischen mit.

Das ganze Ausmaß der Randale rund um das Wiener Fußballder­by vom vergangene­n Sonntag zwischen Rapid und Austria wurde erst am Montag sichtbar: Laut Polizei gab es 388 Anzeigen und zehn Verletzte.

Der Zwischenfa­ll in der Quellenstr­aße war nur das erste Scharmütze­l, das sich die Hooligans beider Seiten lieferten. „Rapidler haben die Austrianer bei der Straßenbah­nstation überfallen“, sagt der Sicherheit­sverantwor­tliche der Austria – der darum ersucht, seinen Namen nicht zu nennen. Aus Sicherheit­sgründen. Es habe Provokatio­nen von beiden Seiten gegeben. Als Provokatio­n sei auch der angesprayt­e Stiegenauf­gang der Hauptbüche­rei am Urban-LoritzPlat­z gewertet worden. Der strahlte nämlich grün-weiß.

„Blutwiese“

Beim Marsch zum Stadion traten die Austria-Hooligans erneut in Erscheinun­g. Mit Bengalen und viel Bier zogen sie durch die Hütteldorf­er Straße – begleitet von der Polizei, die von Hooligans auch angegriffe­n wurde. „Plötzlich war da ein lauter Knall. Es ist Rauch aufgestie- gen, Feuerwerks­körper haben gebrannt“, schildert Anrainerin Renate V. „Wir haben uns nicht aus dem Haus getraut. Ich war wirklich schockiert.“Ähnlich schildert das Michaela B.: „Der Rauch ist durchgezog­en, die Meute ist grölend marschiert. Das ist eine Schweinere­i. Die sollen sich ihr Derby auf der Blutwiese ausmachen!“

Und zuletzt drehten die Austria-Ultras im Allianz Stadion kräftig auf – sechs Sessel wurden aus der Veranke- rung gerissen und in Richtung der Rapid-Anhänger geschleude­rt. Zudem wurde laut Rapid-Sprecher Peter Klinglmüll­er eine Toilette komplett ruiniert. „Der Sachschade­n ist erheblich.“

Es ist bereits das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass sich Austria-Anhänger von ihrer schlechtes­ten Seite zeigen. Auch beim Auswärtssp­iel gegen AS Roma gab es drei Festnahmen wegen Körperverl­etzung. Im Stadion hissten Austrianer eine Reichskrie­gsflagge, Augenzeuge­n berichten davon, dass Anhänger mit dem Hitlergruß durch die Stadt gezogen seien.

Hintergrun­d für die aktu- ellen Eskalation­en könnte die vorzeitige Haftentlas­sung des „Unsterblic­h“-Capos (rechtsradi­kale Fangruppe, Anm.) sein. Er war auch beim RomaSpiel anwesend. Genauso wie der Kern von Unsterblic­h. „Das sind 20 bis 25 Leute. Überschaub­ar, aber hart“, sagt der Sicherheit­sverantwor­tliche der Austria.

Roma-Rückspiel

Nach den jüngsten Ausschreit­ungen wurden neue Stadionver­bote beantragt. Beim kommenden Heimspiel gegen Roma am 3. November laufen bereits die Sicherheit­svorbereit­ungen. Eine Revanche der Roma-Anhänger wird befürchtet. Lokalaugen­schein. Nachdem am Samstagabe­nd ein 20jähriger im Venediger-AuPark mit einem Messer verletzt worden war, wurden in manchen Medien Stimmen laut, dass in dem Grätzel ein „Bandenkrie­g“herrschen würde. Tatsächlic­h waren zehn Personen verschiede­ner Gruppierun­gen in Streit geraten, die beim Eintreffen der Polizei aber schon geflüchtet waren. Das Opfer hatte Stichwunde­n am Oberkörper erlitten, schwebte aber nicht in Lebensgefa­hr.

Um die Situation vor Ort erfassen zu können, machte sich der KURIER am Montag zu einem Lokalaugen­schein auf, der das Sicherheit­sempfinden aus dem Blickwinke­l der Anrainer zeigen sollte. Alle der sechs Befragten, die am Montag durch den Park spazierten, machen sich demnach wenig Sorgen, um die Sicherheit. „Ich glaube das Umfeld des Praterster­ns ist eines der polizeilic­h am besten bewachten Gebiete in Wien“, erzählt zum Beispiel Hannes Vikenscher. Auch Barbara Kreitmayer hat keine Angst: „Ich würde hier auch nachts durchgehen. Es ist bestimmt nicht gefährlich­er als in anderen Gegenden in Wien.“

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Vermummte lieferten sich in der Quellenstr­aße in Favoriten eine Straßensch­lacht – direkt neben der Straßenbah­n (li.) RapidAnhän­ger besprayten den Stiegenauf­gang zur Hauptbüche­rei grün-weiß (re.)
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Barbara Kreitmayer hat keine Sicherheit­sbedenken im Park

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