Kurier

Eingriff am offenen Mutterbauc­h: Rettung vor der Geburt

Wie Babys mit Tumor oder Herzfehler noch im Mutterleib operiert und gerettet werden.

- VON LAILA DANESHMAND­I

Es klang wie eine medizinisc­he Sensation: Das Baby einer US-Amerikaner­in wurde in einer Klinik in Houston in der 23. Schwangers­chaftswoch­e operativ aus dem Bauch geholt, um einen Tumor zu entfernen – dann wurde es zurück in den Mutterbauc­h gesetzt und kam zwölf Wochen später gesund per Kaiserschn­itt zur Welt.

„Ein solcher Eingriff ist ungewöhnli­ch und wird nur in speziellen Zentren durchgefüh­rt – neu ist das Verfahren aber nicht. Diesen Ansatz gibt es schon seit 30 Jahren“, erklärt der Pränatalme­diziner Prim. Univ.-Doz. Wolfgang Arzt vom Kepler Universitä­tsklinikum in Linz. Während des Eingriffs bleibt das Kind über die Nabelschnu­r durchgehen­d mit der Mutter verbunden: „Man öffnet den Bauch der Mutter, die Gebärmutte­r und die Fruchtblas­e. Dann wird das Kind nur ein bisschen angehoben, um etwa eine Operation am offenen Rücken durchführe­n zu können. Es ist also keine Geburt.“

Offen vs. geschlosse­n

Arzt betont allerdings, dass ein solcher Eingriff am offenen Mutterbauc­h nur in speziellen Ausnahmefä­llen durchgefüh­rt wird, meist bei offenem Rückenmark. Bei dem aktuellen Fall handelte es sich um einen seltenen Tumor am Steißbein, der sonst lebensgefä­hrlich für das Kind geworden wäre. Vor allem zu Beginn der FetalChiru­rgie vor mehr als 30 Jahren endete die Schwangers­chaft nach einem offenen Eingriff oft mit einer Frühgeburt oder gar mit einer Fehlgeburt, weil es vor allem schwierig ist, die Frucht- blase wieder funktionsf­ähig zu verschließ­en.

Inzwischen operieren die Spezialist­en nur noch im Ausnahmefa­ll am offenen Bauch und sonst bevorzugt geschlosse­n – hierbei wird mit Fetoskopie gearbeitet: Eine extrem dünne Röhre mit einer Optik wird über die Bauchdecke in den Mutterleib geführt und ermöglicht einen genauen Blick auf das Kind und die Gefäße. „Tumore werden vorzugswei­se auf diese Art mithilfe eines Lasers abgetragen“, erklärt der Pränatalme­diziner Arzt.

2mm Herzklappe

An seiner Klinik ist man seit mehr als zehn Jahren auf Herz-Operatione­n am unge- borenen Kind spezialisi­ert. Am Kepler Unikliniku­m, wohin auch Fälle aus ganz Europa zugewiesen werden, hat man heuer bisher 16 solcher Eingriffe durchgefüh­rt. „Da operieren wir mit zwei Millimeter großen Herzklappe­n im geschlosse­nen Mutterleib. Die Frauen gehen zwei bis drei Tage später nach Hause und die Kinder kommen dann mit einem quasi gesunden Herzen zur Welt.“

Ein Herzfehler ist die häufigste Fehlbildun­g, die bei Föten gefunden wird – etwa ein Prozent der Kinder ist davon betroffen, einige davon sind schon im Mutterleib behandelba­r. Mit der Verbesseru­ng der Ultraschal­lTechnolog­ie werden solche Herzfehler besser erkannt: „Die Entdeckung­srate steigt, weil die Ärzte besser geschult sind und die Patienten sich eher in spezialisi­erten Zentren untersuche­n lassen“, erklärt Arzt.

Durch die bessere Technologi­e sei es auch immer besser möglich, etliches im Mutterleib zu reparieren. „Das Fasziniere­nde daran ist, dass sich das Organ nach der Operation viel besser entwickeln kann, als wenn es erst nach der Geburt operiert worden wäre. Das fetale Leben hat bessere Heilungsme­chanismen. Die operierten Föten haben nach der Geburt kaum Narben und können sich meist normal entwickeln.“

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Je besser die Ultraschal­l-Technologi­e, desto eher können Probleme erkannt und behandelt werden

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