CETA: Belgien lässt die EU in eine schwere Krise taumeln
Vorläufiges Aus für Handelspakt. EU-Industrie: „Gefährlich“
An einer roten Aktenmappe klammert er sich fest, der groß gewachsene Ministerpräsident der Wallonen. Als Paul Magnette den knappen Satz ausspricht „Heute gibt es kein Ja der Wallonie zu CETA“, wird er von internationalen Kamera-Teams fast erdrückt. Magnettes Krisentreffen mit Charles Michel, dem Premier der föderalen belgischen Regierung, scheiterte am Montag ebenso wie viele zuvor. Nervös wirkte Michel: „Belgien kann nicht zustimmen.“Danach verständigte er EU-Ratspräsident Donald Tusk, wonach sein Land derzeit nicht in der Lage sei zu unterschreiben.
Ende des Jahres
Das Nein hatte sich abgezeichnet. Der wallonische Parlamentspräsident André Antoine hatte bereits durchblicken lassen, dass es am Montag keine Zustimmung geben könne. „Eine vernünftige Zielmarke wäre Ende des Jahres. Bis dahin könnten wir es schaffen.“Die vielen Unterlagen zu CETA seien ein „Misch-Masch“, sagt Antoine. Sonntagabend sind den Regionalpolitikern in Namur neue Zusatzerklärungen übermittelt worden.
Nach der Erklärung von Magnette folgten hektische Telefonate unter den EUSpitzen. Tusk musste den kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau informieren. Doch beide kamen überein, den für kommenden Donnerstag anberaumten Kanada-Gipfel noch nicht abzusagen. Trudeaus Handelsministerin Chrystia Freeland ließ wissen: „Kanada ist bereit, jetzt zu unterschreiben.“Beim Gipfel sollte das Abkommen eigentlich feierlich unterzeichnet werden. Für das Abkommen ist die Zustimmung aller EU-Mitgliedsländer nötig.
Schutz der Bauern
Ursprünglich hatte Tusk Belgien bis zum Montagabend Zeit für eine Entscheidung gegeben. Auch das regte die Wallonen auf. „Niemand kann uns mit einem Ultimatum zwingen“, hieß es in der französischsprachigen Region. Die strukturschwache Wallonie mit hohen Arbeitslosenraten will stärkere Garantien zum Schutz ihrer Bauern, der Umwelt- und Konsumentenstandards und die Abwehr eines übermäßigen Einflusses internationaler Konzerne.
Kanadas Regierungschef Justin Trudeau will am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg – wie bisher geplant – auch seine große Rede halten. Der Termin ist noch nicht abgesagt.
Doch deutsche und europäische Politiker sowie Wirtschaftsvertreter ( siehe Interview rechts) warnten schon in den vergangenen Tagen immer wieder vor einem Scheitern von CETA.
EU braucht Geduld
Margaritis Schinas, Chefsprecher der EU-Kommission, hegte gestern noch eine kleine Hoffnung: „Wir brauchen noch etwas Geduld.“Die Kommission und auch die belgische Regierung halten daran fest, dass der Handelsvertrag CETA noch unterschrieben werde. „Wenn nicht diese Woche, dann eben zu einem späteren Zeitpunkt“, sagte ein EU-Diplomat nonchalant – und ergänzte nicht ohne Ironie: „Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.“