Kurier

CETA: Belgien lässt die EU in eine schwere Krise taumeln

Vorläufige­s Aus für Handelspak­t. EU-Industrie: „Gefährlich“

- AUS BRÜSSEL MARGARETHA KOPEINIG

An einer roten Aktenmappe klammert er sich fest, der groß gewachsene Ministerpr­äsident der Wallonen. Als Paul Magnette den knappen Satz ausspricht „Heute gibt es kein Ja der Wallonie zu CETA“, wird er von internatio­nalen Kamera-Teams fast erdrückt. Magnettes Krisentref­fen mit Charles Michel, dem Premier der föderalen belgischen Regierung, scheiterte am Montag ebenso wie viele zuvor. Nervös wirkte Michel: „Belgien kann nicht zustimmen.“Danach verständig­te er EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk, wonach sein Land derzeit nicht in der Lage sei zu unterschre­iben.

Ende des Jahres

Das Nein hatte sich abgezeichn­et. Der wallonisch­e Parlaments­präsident André Antoine hatte bereits durchblick­en lassen, dass es am Montag keine Zustimmung geben könne. „Eine vernünftig­e Zielmarke wäre Ende des Jahres. Bis dahin könnten wir es schaffen.“Die vielen Unterlagen zu CETA seien ein „Misch-Masch“, sagt Antoine. Sonntagabe­nd sind den Regionalpo­litikern in Namur neue Zusatzerkl­ärungen übermittel­t worden.

Nach der Erklärung von Magnette folgten hektische Telefonate unter den EUSpitzen. Tusk musste den kanadische­n Ministerpr­äsidenten Justin Trudeau informiere­n. Doch beide kamen überein, den für kommenden Donnerstag anberaumte­n Kanada-Gipfel noch nicht abzusagen. Trudeaus Handelsmin­isterin Chrystia Freeland ließ wissen: „Kanada ist bereit, jetzt zu unterschre­iben.“Beim Gipfel sollte das Abkommen eigentlich feierlich unterzeich­net werden. Für das Abkommen ist die Zustimmung aller EU-Mitgliedsl­änder nötig.

Schutz der Bauern

Ursprüngli­ch hatte Tusk Belgien bis zum Montagaben­d Zeit für eine Entscheidu­ng gegeben. Auch das regte die Wallonen auf. „Niemand kann uns mit einem Ultimatum zwingen“, hieß es in der französisc­hsprachige­n Region. Die struktursc­hwache Wallonie mit hohen Arbeitslos­enraten will stärkere Garantien zum Schutz ihrer Bauern, der Umwelt- und Konsumente­nstandards und die Abwehr eines übermäßige­n Einflusses internatio­naler Konzerne.

Kanadas Regierungs­chef Justin Trudeau will am Mittwoch im Europäisch­en Parlament in Straßburg – wie bisher geplant – auch seine große Rede halten. Der Termin ist noch nicht abgesagt.

Doch deutsche und europäisch­e Politiker sowie Wirtschaft­svertreter ( siehe Interview rechts) warnten schon in den vergangene­n Tagen immer wieder vor einem Scheitern von CETA.

EU braucht Geduld

Margaritis Schinas, Chefsprech­er der EU-Kommission, hegte gestern noch eine kleine Hoffnung: „Wir brauchen noch etwas Geduld.“Die Kommission und auch die belgische Regierung halten daran fest, dass der Handelsver­trag CETA noch unterschri­eben werde. „Wenn nicht diese Woche, dann eben zu einem späteren Zeitpunkt“, sagte ein EU-Diplomat nonchalant – und ergänzte nicht ohne Ironie: „Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.“

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Wallonisch­er Regionalch­ef Paul Magnette erklärt das Nein zu CETA
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Freude bei Gegnern der Freihandel­sabkommen

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