Kurier

Heinz Fischer erwartet Neuwahlen: „Wäre aber nicht klug“

Kritik auch an Strache: „Mit Bürgerkrie­g spielt man nicht“

- VON IDA METZGER (TEXT) UND JEFF MANGIONE (FOTOS)

Zwölf Jahre lang war Fischer am 26. Oktober Frontmann bei der militärisc­hen Zeremonie auf dem Heldenplat­z. Auch heuer wird er bei der Angelobung der Wehrmänner sein – als Altbundesp­räsi- dent. Im Interview spricht er über die Lage der Nation, das Koalitions­klima, warum er pro CETA ist und wie er über Hofers Wahl-Slogan und Straches Bürgerkrie­gsfantasie­n denkt.

KURIER: Herr Dr. Fischer, laut einer OGM-Umfrage haben 82 Prozent der Österreich­er kein Vertrauen mehr in die Politik. Welche Worte würden Sie heute am Nationalfe­iertag an die Österreich­er richten, wenn Sie eine Ansprache halten dürften? Heinz Fischer: Ich brauche keine Meinungsum­fragen, um zu wissen, dass die Entwicklun­g sowohl auf nationaler als auf internatio­naler Ebene nicht so verläuft, wie man sich das als Österreich­er und als Europäer wünschen muss. Daher muss man auf die Schwachste­llen unserer Politik hinweisen. Wo sehen Sie innenpolit­isch die Schwachste­llen?

Es herrscht zu viel Streit, zu viel Sucht auf Kosten anderer politisch Punkte zu sammeln, sodass die Problemlös­ungsfähigk­eit darunter leidet. Vizekanzle­r Mitterlehn­er hat das Regierungs­klima mit der Härte beim Fußballmat­ch Simmering gegen Kapfenberg verglichen. Würden Sie als Staatsober­haupt die Regierungs­spitze zum Rapport bitten?

Vizekanzle­r Mitterlehn­er hat in seiner Rede gesagt, dass er eben nicht Simmering gegen Kapfenberg vorführen will. Gerade die beiden Parteivors­itzenden Christian Kern und Reinhold Mitterlehn­er sind bemüht, die Dinge im Land zum Besseren zu führen. Diesen beiden Personen mache ich keine Vorwürfe. Es sind eher Personen in den zweiten und dritten Reihen, die man hier ansprechen müsste. Aber Ihre Frage war, wie ich als Bundespräs­ident handeln würde? Ich bin nicht mehr Bundespräs­ident. Daher schlüpfe ich nicht jeden Tag in die Rolle eines fiktiven Bundespräs­identen. Umgekehrt gefragt: Ist die Koalition nun an dem Punkt angelangt, wo es gut wäre, wenn es einen Bundespräs­identen als Mediator gäbe?

Ich bin der Meinung, je früher dieses Amt wieder definitiv besetzt ist, umso besser. Es ist eine unglücklic­he Situation, dass der neue Bundespräs­ident nicht schon am 8. Juli sein Amt antreten konnte. Denn es gäbe für einen gewählten und guten Bundespräs­identen gerade jetzt eine Menge zu tun. Kanzler Christian Kern sagte in einem Zeit-Interview, dass es keine Bestandsga­rantie für SPÖ und ÖVP gibt. Ist diese Befürchtun­g gerechtfer­tigt?

Es ist bemerkensw­ert, wenn sich ein Parteivors­itzender so ungeschmin­kt äußert. Und es ist wahr, die Rahmenbedi­ngungen haben sich für die „staatstrag­enden Parteien“also für SPÖ und ÖVP seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts grundlegen­d geändert. Sie sind in ihrer bisherigen Verfassthe­it unleugbar schwächer geworden und haben in den letzten 35 Jahren mehr als die Hälfte ihrer Stimmen und Mitglie- der verloren. Hier braucht es dringend tief greifende Reformen. Ich füge hinzu, dass sich unsere politische­n Systeme nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa weitreiche­nd verändern. Glauben Sie, dass die Koalition wirklich bis 2018 hält?

Eines steht für mich fest: Wir hatten in der 2. Republik 60 Jahre lang Legislatur­perioden von vier Jahren. Erst vor Kurzem gab es eine Verlängeru­ng auf fünf Jahre. Wenn die Regierungs­parteien mit teilweiser Unterstütz­ung der Opposition die Legislatur­perio- de verlängern, um mehr im Land bewegen zu können, sollte man erwarten dürfen, dass sie nicht vorzeitig beendet wird. Doch es spricht im Moment einiges dafür, dass vorzeitig gewählt wird. Klug wäre es allerdings nicht. Die Koalition sollte bis 2018 arbeiten und ihre Chancen nutzen. Aber ich lege nicht meine Hände ins Feuer, dass das, was geschieht, immer auch klug ist. FPÖ-Chef Heinz Christian Strache befürchtet aufgrund der Migration die Gefahr eines Bürgerkrie­ges. Hat er hier eine rote Linie überschrit­ten? Strache hat vorgestern in einer sorgfältig vorbereite­ten Rede einen Bürgerkrie­g mittelfris­tig als „nicht unwahrsche­inlich“– also als wahrschein­lich – bezeichnet. Ich habe meinen Ohren nicht getraut. Mit dem Wort „Bürgerkrie­g“spielt man nicht, geht man nicht leichtfert­ig um und man darf es auch nicht für Zwecke der Angstmache verwenden. Schon gar nicht als Obmann einer Partei, die das Amt des Bundespräs­identen anstrebt und kurze Zeit später auch den Bundeskanz­ler besetzen will. In der Vorwoche gab es eine große Diskussion über die Pläne von Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil, am Heldenplat­z ein Bundesheer-Denkmal zu errichten. Braucht es das wirklich?

Ich halte die Grundidee für vernünftig. Wenn für Polizisten, die seit 1945 im Dienst für unsere Republik ums Leben gekommen sind, ein Denkmal errichtet wurde, warum soll es dann für Soldaten, die im gleichen Dienst ums Leben gekommen sind, nicht zulässig sein? Wenn man Denkmäler für etwas Sinnvolles hält, und unsere Kultur tut das, dann sehe ich keinen Grund, warum gerade dieses Denkmal unerwünsch­t sein soll. Sie wählen am 4. Dezember Alexander Van der Bellen. Sein Konkurrent Norbert Hofer wirbt mit „So wahr mir Gott helfe“am Wahlplakat. Waren selbst Sie als Agnostiker schockiert?

Das Einzige, was ich dazu sagen möchte ist, dass mich das in meiner Entscheidu­ng, wen ich am 4. Dezember wählen werde, deutlich bestärkt hat. Das Freihandel­sabkommen CETA ist am Kippen, weil die belgische Wallonie das gallische Dorf in der EU spielt. Ein weiterer Beweis dafür, dass die EU am Zerfallen ist?

Ich würde nicht zerfallen sagen. Es ist ein Rückschlag. Es ist bedauerlic­h und ein Beispiel für zu wenig Kohärenz. Sie haben keine Bedenken bei den viel kritisiert­en Schiedsger­ichten. Auch Teile der SPÖ sind skeptisch ...

Schiedsger­ichte können fatal konstruier­t sein und Webfehler haben, die rechtsstaa­tlichen Grundsätze­n widersprec­hen. Aber bei dem, was jetzt nach langen Bemühungen zwischen Kanada und Europa – zuletzt unter zahlreiche­n sehr kritischen Augen – ausverhand­elt wurde, habe ich keine Bedenken. Das heißt, Sie waren auch erleichter­t, als Kanzler Christian Kern letztendli­ch grünes Licht für CETA gegeben hat?

Das war sicher keine leichte, aber eine verantwort­ungsvolle und unter dem Strich eine richtige Entscheidu­ng.

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In seinem neuen Büro hat der ExBundespr­äsident auch Zeit zum Lesen (Foto links). Heinz Fischer zeigte KURIER-Redakteuri­n Ida Metzger (Foto o.) sein erstes publiziert­es Buch aus 1970 – natürlich ein politische­s
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