Kurier

Koalition will wieder harmonisch und staatstrag­end auftreten

Die Präsentati­on des Wirtschaft­spakets sollte eines zeigen: Wir können doch miteinande­r.

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Und plötzlich standen sie wieder zu zweit da. In den vergangene­n Wochen und Monaten hatten es sich Christian Kern und Reinhold Mitterlehn­er zur Gewohnheit gemacht, nach dem Ministerra­t auf einen gemeinsame­n Auftritt zu verzichten. Wir machen uns rar und treten nur gemeinsam auf, wenn es Gewichtige­s zu erzählen gibt, lautete die Maxime – am Dienstag gab es offensicht­lich genau das.

Bundes- und Vizekanzle­r präsentier­ten nun offiziell die Eckpunkte des „Wirtschaft­spakets“. Es war der erste gemeinsame Auftritt im Kongresssa­al des Bundeskanz­leramtes seit 12. Juli.

Zum Inhalt: Wie teils im Dienstag-KURIER berichtet, wollen SPÖ und ÖVP Kleinund Mittelunte­rnehmen in den nächsten zwei Kalenderja­hren mit einer 175 Millionen Euro schweren „Investitio­nszuwachsp­rämie“belohnen, die Investitio­nen von 1,2 Milliarden Euro auslösen und 25.000 Jobs sichern soll.

Analog zur KMU-Prämie gibt es 2017 ein Anreiz-Programm für die Gemeinden, die Projekte mit bis zu zwei Millionen Euro zur Förderung einreichen können.

Insbesonde­re in den Reihen der SPÖ frohlockte man zudem ob der sogenannte­n „Ausbildung­sgarantie“: Diese bedeutet, dass die ab Jänner geltende „Ausbildung­s- pflicht bis 18“(jeder junge Mensch muss künftig bis zu seinem 18. Lebensjahr eine Ausbildung bekommen), insofern ergänzt wird, als bis zum 25. Lebensjahr ein rechtliche­r Anspruch auf einen Ausbildung­splatz besteht.

Damit wird beispielsw­eise Erwachsene­n ermöglicht, eine Lehre zu absolviere­n bzw. abgebroche­ne Ausbildung­en zu beenden.

Städtebund sowie Arbeiter- und Wirtschaft­skammer lobten das Paket, Industriel­lenvereini­gung und Opposition zeigten sich enttäuscht.

Staatstrag­end

Doch letztlich ging es den beiden Parteichef­s gestern auch um etwas anderes, um Grundsätzl­icheres.

Nachdem die inhaltlich­en Differenze­n zuletzt bei der Mindestsic­herung eskaliert waren und sich Beobachter seit Wochen die Frage stellen, ob wohl eine der Koalitions­parteien mutig genug ist, eine Neuwahl anzuzettel­n, waren Kern und Mitterlehn­er bemüht, die staatstrag­ende Gravitas wiederherz­ustellen.

Das umso mehr, als der in den Umfragen führende FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch am Montag davor gewarnt hatte, dass Österreich in einen Bürgerkrie­g zu schlittern droht.

Straches Befund sei „aberwitzig“, sagte Mitterlehn­er. Kern sprach von einer „bedenklich­en Entwicklun­g“(siehe Artikel unten bzw. Interview mit Heinz Fischer rechts). Und beide gefielen sich darin, das in Harmonie präsentier­te Paket als Beleg für ihre profession­elle Zusammenar­beit zu sehen. „ Es gilt, die Arbeitsfäh­igkeit der Regierung zu zeigen“, sagte Mitterlehn­er. Der Kanzler nickte wohlwollen­d.

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Vereint nach dem Ministerra­t: Zum ersten Mal seit 12. Juli traten Kanzler Kern und Vizekanzle­r Mitterlehn­er im Kanzleramt vor Journalist­en

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