Kurier

Die Hoffnung der Hoffnungsl­osen

Je trister die Gegend, desto größer die Verspreche­n – und die Wut der Anhänger

- KONRAD KRAMAR

hatte, behalten, doch auch die war mit dem Job weg.

Das T-Shirt trägt er trotzdem mit Stolz, gerade heute in der örtlichen Eishockeyh­alle, wenn Donald Trump oben am Rednerpult über die Stahlarbei­ter von Johnstown als „die vergessene­n Helden dieses Landes“spricht. Für diese Helden werde er, so verspricht der Milliardär auch heute wieder, die Stahlindus­trie hierher zurückbrin­gen. Statt billigem chinesisch­em Stahl würde dann wieder guter amerikanis­cher in den Autos verbaut: „Wir bringen den Wohlstand hierher zurück.“ Wenn Bill seine Geschichte erzählt, steckt die von Johnstown gleich mit drinnen. Und das vorläufig letzte Kapitel steht in einem Satz auf dem T-Shirt des wuchtigen Endfünfzig­ers. „Ich war dabei bis zum Ende …“

Dieses Ende kam vor fünf Jahren, da sperrte das Stahlwerk in der Stadt im Westen von Pennsylvan­ia endgültig Verspreche­n wie diese lassen zu. Drei Mal hatte man Bill zudie bis auf den letzten Platz vor schon entlassen. Mit jegefüllte Halle toben. Das will dem Wechsel der Eigentümer man von Trump hören, und kam eine Kündigung und dafür ist man auch entschloss­chließlich ein neuer Vertrag sen, ihn am 8. November mit weniger Geld. Als es zum Präsidente­n zu wählen. dann endgültig vorbei war, Die abgewrackt­en Industblie­b nur noch das T-Shirt, riereviere im Osten der USA das die Gewerkscha­ft amletzsind die Hochburgen ten Arbeitstag verteilte. Trumps. Hier hat er seine

Bill hätte lieber seine treuesten Anhänger – und Krankenver­sicherung, die die lassen sich weder von die Gewerkscha­ft angeblich Skandalen ihres Kandidaten auf Lebenszeit ausverhand­elt noch von irgendwelc­hen Um-

Die bösen Medien

fragen irritieren. Das alles sei ohnehin manipulier­t, hört man in Gesprächen: Die Medien, die seien doch alle für Clinton, und außerdem würden die in Washington mit allen Mitteln versuchen, die Wahl zu deren Gunsten zu fälschen. Da hat dann einer eine Geschichte von einer Wählerlist­e parat, die mehr als hundert Prozent der Bewohner umfasst habe, auf einer anderen seien Tote draufgesta­nden. Da ist so ein TrumpAuftr­itt eine gute Gelegenhei­t, um Ärger und Frustratio­n einmal in voller Lautstärke loszuwerde­n. Der ganze Saal skandiert „Betrügerin Hillary“oder „ins Gefängnis mit ihr“.

Doch viel mehr als Dampf ablassen wollen die meisten hier nicht. Tatsächlic­h auf die Straße gehen, um gegen das Wahlergebn­is zu protestier­en? Da winken auch die lautesten Schreier resigniert ab. Das habe doch alles keinen Sinn.

Gute alte Zeit

Auch die Begeisteru­ng für Trumps Verspreche­n nimmt schon beim Verlassen der Halle ab. Zu lange lebt man hier schon mit dem Niedergang, um an die Rückkehr von Stahl und Kohle zu glauben. „Die Jungen gehen weg“, erzählt Dee über ihre zwei Kinder, die sie allein großgezoge­n hat. Ihr Mann ist früh gestorben, war auch Kohlebergw­erker, so wie schon ihr Vater: „Das Gehalt war halt nicht mehr das gleiche.“

Damals habe ein Arbeiter noch eine Familie alleine ernährt – und die Mama war immer zu Hause, wenn Dee von der Schule kam. Dass sie selbst das nicht mehr konnte, ist für Dee – das hört man in jedem Satz – eine persönlich­e Niederlage.

Umso leichter fällt es der Krankensch­wester dann, sich in Rage zu reden, über die korrupte Hillary, die ja Dinge wie Abtreibung auf Staatskost­en durchsetze­n und die Familien zerstören wolle.

Kämpferisc­he Frauen

Kaum 30 Meilen von Johnstown entfernt, in einem Vorort von Pittsburgh, stehen die Menschen drei Mal um den Häuserbloc­k, um diese Hillary zu sehen. Und es sind vor allem die Frauen ab 40, denen man die Begeisteru­ng für ihre Kandidatin anmerkt.

Die erste Frau als US-Präsidenti­n, der Stehsatz, bekommt hier wirklich Bedeutung. Clinton feiern viele als eine Frau, die sich gegen eine Männerwelt durchgeset­zt hat: Eine Welt, in der, wie es die Kleinunter­nehmerin Susan formuliert, „Frauen doppelt so viel leisten müssen wie Männer – und dann als kaltherzig und bösartig denunziert werden – so wie Hillary.“

Trumps sexistisch­e Grobheiten nehmen viele in die- ser Schul-Turnhalle verdammt ernst, und die Sehnsucht vieler Trump-Anhänger nach den alten Zeiten versteht man als Drohung: „Der will uns zurück in die 50erJahre befördern.“

Trumps Sexismen, Frauenrech­te, Zukunft für die Kinder: Auch in Clintons wie immer etwas gekünstelt wirkender Rede sind das die Themen. Doch viele der Frauen unten im Publikum könnten wohl viel deutlicher und mitreißend­er als die Kandidatin formuliere­n, worum es bei einer Stimme für Hillary eigentlich gehen sollte. So deutlich wie Susan eben, auch wenn das nicht für die Wahlkampf-Bühne geeignet ist: „Clinton hat einfach mehr Eier als die meisten männlichen Politiker, darum wird sie ja so angefeinde­t.“

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Ein T-Shirt blieb von Bills Job im Stahlwerk: „Bis zum Ende dabei“
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