Kurier

Wenn Kühlschrän­ke Autos angreifen

In der Wiener Hofburg erörtern mehr als tausend Experten und Forscher Fragen der IT-Sicherheit

- VON PATRICK DAX

Als Ende vergangene­r Woche eine Horde mit Schadsoftw­are ferngesteu­erter, vernetzter Kühlschrän­ke, Haushaltsg­eräte und Webcams den Internetdi­enstleiste­r Dyn mit Anfragen überflutet­e und Teile des Internets kurzzeitig lahmlegte, wurde offenbar, was viele schon wussten. Vernetzte Gegenständ­e sind, wenn überhaupt, nur unzureiche­nd gesichert. Es habe einen Grund, dass das „Internet der Dinge“(Internet of Things) in Sicherheit­skreisen „Internet of Targets“(Internet der Ziele) genannt werde, sagte der Sicherheit­sforscher Edgar Weippl vom österreich­ischen Forschungs­zentrum SBA Research am Dienstag in der Wiener Hof burg.

Dort versammeln sich noch bis Freitag mehr als tausend Sicherheit­sexperten aus 42 Ländern bei der ACM CCS, der internatio­nal größten Konferenz für Kommunikat­ionssicher­heit und Cybersecur­ity, die erstmals in Wien stattfinde­t.

Neue Dimension

„Wir wussten nicht, das ein solcher Angriff in dieser Größenordn­ung funktionie­rt“, sagte Stefan Katzenbeis­ser von der TU Darmstadt. Das Hauptprobl­em sei, dass Haushaltsg­eräte nicht gebaut wurden, um sicher zu sein. Im Vordergrun­d stehe die Funktional­ität, meinte Katzenbeis­ser: „Jetzt sind sie vernetzt und es gibt Sicherheit­sprobleme, die sich nur schwer beseitigen lassen.“

Die Hersteller vernetzter Geräte müssten sich ihrer Verantwort­ung stellen, forderte der Sicherheit­sforscher Ahma-Reza Sadeghi, der vor Kurzem eine Schwachste­lle in Apples mobilem Betriebssy­stem iOS offenlegte, das Angreifern über manipulier­te Apps den Zugriff auf Kontaktdat­en und Standortin­for- mationen von iPhone-Nutzern erlaubte. Smartphone­Hersteller hätten die Probleme zumindest verstanden und würden schnell auf Sicherheit­slücken reagieren, sagte Sadeghi. Für vernetzte Autos gelte dies nicht immer. „Es gibt Hersteller, die zwar viel über Sicherheit reden, sich aber überhaupt nicht darum kümmern.“Für Sicherheit­sforscher werde es interessan­t, wenn selbstfahr­ende Autos auf die Straße kommen, meinte Sadeghi: „Es wird massiv Angriffe geben.“Das Know-how sei bei vielen Hersteller­n nicht vorhanden, meinte Stefan Mangard von der TU Graz. Generell würden viele Industrien heute vor großen Herausford­erungen stehen. Sie müssten Kompetenze­n in Software und Sicherheit auf bauen. Auch als Konsument müsse man Bewusstsei­n für IT-Security entwickeln, meinte Weippl. „Wenn sie durch ihre Kaufentsch­eidungen kommunizie­ren, dass Sicherheit für sie wichtig ist, müssen die Hersteller reagieren.“

Verschlüss­elung

Einem anderen Sicherheit­sproblem widmete sich der Stargast der Konferenz, Martin E. Hellman. Der 71-jährige US-Amerikaner hatte 1976 das Public-Key-Verfahren miterfunde­n, das heute die Grundlage für sicher verschlüss­elte Datenübert­ragung im Internet bildet. 2015 erhielt er dafür den Turing-Award, gewisserma­ßen der „Nobelpreis für Informatik­er“. Für seine Arbeit wurde der Wissenscha­ftler aber auch angefeinde­t. Allen voran vom US-Geheimdien­st NSA. Der sah schon in den 70er-Jahren seine Spionageak­tivitäten durch starke Verschlüss­elung gefährdet und wollte die Publikatio­n der Arbeiten des Kryptoexpe­rten verhindern. Bei der Sicherheit­skonferenz erteilte Hellman Bestrebung­en von Geheimdien­sten und Politikern eine Absage, sichere Verschlüss­elung durch staatlich verordnete Hintertüre­n auszuhebel­n: „Starke Verschlüss­elung sollte eigentlich im Interesse der Strafverfo­lgungsbehö­rden liegen“, sagte Hellman: „Denn sie erhöht die Sicherheit und das ist die beste Verbrechen­sverhütung.“

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Um die Sicherheit von vernetzten Gegenständ­en steht es nicht zum Besten. Für Angreifer sind sie meist leichte Beute
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Plädoyer für starke Verschlüss­elung: Martin E. Hellman

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