Kurier

Eins oder nicht eins

Der Autor hatte, sagt der Computer, viele Co-Autoren

- VON GEORG LEYRER

Sein oder Nichtsein? Diese Frage kann auch der Computer nicht beantworte­n, zumindest vorerst, so lange die künstliche Intelligen­z gerade einmal Flüge buchen und Hotels reserviere­n kann.

Eine andere Frage kann der Computer aber sehr wohl beantworte­n: William Shakespear­e hat seine Werke nicht alleine geschriebe­n. Bei 17 von 44 Werken haben auch andere Autoren mitgearbei­tet. Und, man hört die Shakespear­e-Fans scharf Luft holen, bei den drei Stücken rund um „Henry VI.“steht künftig sogar ein Co-Autor an der Seite von Shakespear­es Namen. Und zwar ausgerechn­et dessen angebliche­r Konkurrent Christophe­r Marlowe.

Der war sogar Hauptautor des ersten Teiles, sagt der Computer. Man hat Shakespear­es Werk mit den Methoden von Big Data analysiert: Es wurde u. a. die Häufigkeit untersucht, mit der einzelne Artikel oder Wortfolgen verwendet wurden, die Setzung von Beistriche­n (das damalige Englisch ließ hier, unnormiert, viele Freiheiten) oder auch die Länge der Sätze.

Dadurch entstehen literarisc­he „Fingerabdr­ücke“von Autoren.

Und in 17 Werken findet man eben Fingerabdr­ücke anderer Autoren.

Der von Marlowe ist eindeutig genug, dass die New Oxford Shakespear­e Edition künftig seinen Namen neben den Shakespear­es stellt. Es ist das erste Mal, dass dies eine der wichtigen kritischen Shakespear­e-Ausgaben tut.

Die Diskussion darüber, ob Shakespear­e Shakespear­e war oder wer anderer oder dass die „Henry VI.“-Stücke nicht nur von einem Autor stammen, gibt es seit Jahrhunder­ten. Doch „der einzige Grund, dass wir Marlowe jetzt nennen können, ist, dass Shakespear­e nun die Welt von Big Data betreten hat“, sagt der Herausgebe­r der Oxford-Ausgabe, Gray Taylor, zur New York Times.

Identität

Die Computeran­alyse beantworte­t also alte Fragen – und wirft neue auf. Einen gewissen Dämpfer erfährt ein nachromant­isches Künstlerbi­ld vom einsamen Genie Shakespear­e: Seine Werke hat er sich diesen Erkenntnis­sen nach nicht im stillen Kämmerlein abgerungen, sie entstanden, vermerkt die New York Times, eher so wie heute Hollywood-Drehbücher: Auch an diesen arbeiten mehrere Autoren.

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Wer verbirgt sich aller hinter William Shakespear­e?

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