Eins oder nicht eins
Der Autor hatte, sagt der Computer, viele Co-Autoren
Sein oder Nichtsein? Diese Frage kann auch der Computer nicht beantworten, zumindest vorerst, so lange die künstliche Intelligenz gerade einmal Flüge buchen und Hotels reservieren kann.
Eine andere Frage kann der Computer aber sehr wohl beantworten: William Shakespeare hat seine Werke nicht alleine geschrieben. Bei 17 von 44 Werken haben auch andere Autoren mitgearbeitet. Und, man hört die Shakespeare-Fans scharf Luft holen, bei den drei Stücken rund um „Henry VI.“steht künftig sogar ein Co-Autor an der Seite von Shakespeares Namen. Und zwar ausgerechnet dessen angeblicher Konkurrent Christopher Marlowe.
Der war sogar Hauptautor des ersten Teiles, sagt der Computer. Man hat Shakespeares Werk mit den Methoden von Big Data analysiert: Es wurde u. a. die Häufigkeit untersucht, mit der einzelne Artikel oder Wortfolgen verwendet wurden, die Setzung von Beistrichen (das damalige Englisch ließ hier, unnormiert, viele Freiheiten) oder auch die Länge der Sätze.
Dadurch entstehen literarische „Fingerabdrücke“von Autoren.
Und in 17 Werken findet man eben Fingerabdrücke anderer Autoren.
Der von Marlowe ist eindeutig genug, dass die New Oxford Shakespeare Edition künftig seinen Namen neben den Shakespeares stellt. Es ist das erste Mal, dass dies eine der wichtigen kritischen Shakespeare-Ausgaben tut.
Die Diskussion darüber, ob Shakespeare Shakespeare war oder wer anderer oder dass die „Henry VI.“-Stücke nicht nur von einem Autor stammen, gibt es seit Jahrhunderten. Doch „der einzige Grund, dass wir Marlowe jetzt nennen können, ist, dass Shakespeare nun die Welt von Big Data betreten hat“, sagt der Herausgeber der Oxford-Ausgabe, Gray Taylor, zur New York Times.
Identität
Die Computeranalyse beantwortet also alte Fragen – und wirft neue auf. Einen gewissen Dämpfer erfährt ein nachromantisches Künstlerbild vom einsamen Genie Shakespeare: Seine Werke hat er sich diesen Erkenntnissen nach nicht im stillen Kämmerlein abgerungen, sie entstanden, vermerkt die New York Times, eher so wie heute Hollywood-Drehbücher: Auch an diesen arbeiten mehrere Autoren.