Mia Hansen-Løve bekam den Berlinale-RegiePreis für ihr Porträt einer verlassenen Frau.
Es ist eine glanzlose Rolle, die einem zufällt, wenn man nach 25 Ehejahren von seinem Mann zuerst betrogen und dann verlassen wird. Wie bleibt man zurück? Als ein Häufchen Elend? Verheult, verbittert, verzweifelt?
Weinerlich ist eine Reaktion, die sich Isabelle Huppert in der Rolle der verlassenen Philosophielehrerin Nathalie verbietet. Als der Ehemann seinen bevorstehenden Auszug aus der Wohnung ankündigt, ist sie perplex, aber nicht zerstört: „Ich dachte, du liebst mich immer und ewig. Ich bin so blöd.“
Ihre trockene Antwort bedeutet aber nicht, dass Nathalie den Ereignissen kaltherzig gegenübersteht. Zwar beteuert sie ihrem ehemaligen Schüler Fabian gegenüber, dass nun die „totale Freiheit“auf sie warte. Doch mit der drohenden Alterseinsamkeit kommen andere persönliche Niederschläge einher: Ihr Lehrbuchvertrag wird gekündigt, ihre spinnerte Mutter muss in eine Pflegeanstalt eingewiesen werden.
Regisseurin Mia HansenLøve, sonst spezialisiert auf das Porträt junger Menschen, wurde von der Trennung ihrer Eltern inspiriert und findet eine zartfühlende Balance zwischen dem Schwergewicht großer Lebensveränderungen und den oft komisch-pragmatischen Anforderungen, die das Leben trotzdem stellt. Von Anfang an inszeniert sie den unaufhaltsamen Fluss der Zeit – der ja bekanntlich im Alter immer schneller wahrgenommen wird – als konstante Vorwärtsbewegung. Mit ihren fluiden Kamerabewegungen begleitet sie die fantastische Isabelle Huppert, die mit resolutem Laufschritt durch ihr Leben eilt, ihre verrückte Mutter besucht, zudringliche Kinobesucher abwehrt oder Versöhnungsblumen ihres Ex-Mannes in den Müll stopft.
Manchmal ertönt ein Schubert-Lied und gebietet inneren Einhalt; und manchmal lassen sich die Tränen einfach nicht zurückhalten.
Alles was kommt. F/D 2016. 102 Min. Von Mia Hansen-Løve. Mit Isabelle Huppert, Edith Scob. KURIER-Wertung: