Kurier

Der Teilzeitam­erikaner und die Wahl

Der Dirigent Franz Welser-Möst hält Donald Trump für eine „weltpoliti­sche Bedrohung“. Das Interview.

- APA / FRANZ NEUMAYR

Wie sehen ausgewiese­ne USA-Kenner den Wahlkampf in den Vereinigte­n Staaten? Wie lautet ihre Prognose für die Wahl am 8. November? Und vor allem: Was hat sich in den USA schon alles geändert beziehungs­weise wird sich mit der neuen Präsidents­chaft ändern? Der KURIER lässt anlässlich dieser zentralen weltpoliti­schen Entscheidu­ng Expertinne­n und Experten zu Wort kommen. Den Anfang macht Franz WelserMöst, Chefdirige­nt des Cleveland Orchestra, der seit mehr als 14 Jahren regelmäßig in den USA lebt und sich selbst als „Teilzeitam­erikaner“bezeichnet. KURIER: Hat der amerikanis­che Wahlkampf die Gesellscha­ft in den USA aus Ihrer Sicht ebenso gespalten wie, auf anderer Ebene, das Duell zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer die österreich­ische? Franz Welser-Möst: Ja, dieser Riss ist ganz eindeutig spürbar. Durch die populistis­chen Töne, die von Donald Trump kommen, wird wieder sichtbar, wo das Land immer schon Probleme hatte. Meinen Sie, dass Trump der Katalysato­r für Rassismus und Ausländerf­eindlichke­it ist?

Absolut. Schon immer wurden Schwarze in den USA von Polizisten erschossen, nur weil sie schwarz sind. Durch Trump wurde die Situation noch einmal aufgeheizt. Das Problem beginnt ja immer bei der Sprache. Und was er sagt, ist völlig unverantwo­rtlich. Was passiert im Fall, dass er Präsident wird?

Dieser Mann ist völlig unberechen­bar. Seine Präsidents­chaft wäre für die ganze Welt eine Zitterpart­ie, eine weltpoliti­sche Bedrohung. Manche seiner Sprüche sind schon jetzt entlarvend, etwa dass bei einer Wahl von Hillary Clinton der Dritte Weltkrieg droht. So etwas lässt tief blicken. Ebenso seine Aussagen zur NATO, die in seinen Augen obsolet ist. Oder zu einem Freihandel­sabkommen, das man seiner Meinung nach nicht braucht. Es ist auch bezeichnen­d, welche zwei Länder für Trump eintreten: Nordkorea und Russland. Dass er angekündig­t hat, einen Sonderstaa­tsanwalt einzusetze­n, um Hillary ins Gefängnis zu bringen, passt auch in dieses autoritäre Weltbild. Ein Präsident Trump ist ein Abenteuer für die Welt – mit ungewissem Ausgang. Was passiert, wenn Hillary Clinton Präsidenti­n wird?

Sie wird große Schwierigk­eiten haben, weil dieser Wahlkampf das Land eben wahnsinnig gespalten hat. Bei einem Auftritt von Trump gab es etwa eine Schlägerei, und er hat sinngemäß gesagt, das sei schon in Ordnung. Gewalt gehört also mittlerwei­le dazu. Trump wird auch nicht, wie etwa damals Mitt Romney, im Fall ei- ner Niederlage, falls er sie überhaupt akzeptiert, von der politische­n Bildf läche verschwind­en. Er selbst spricht immer von einer Bewegung. Diese Bewegung wird leider auch bei einem Sieg von Clinton nicht vorbei sein. Hillary Clinton gilt als nicht sonderlich beliebt. Hat Sie wirklich bereits so viel verbrannte Erde hinterlass­en? Oder haben die Angriffe gegen sie auch damit zu tun, dass sie eine Frau ist?

Bestimmt haben die Angriffe auch damit zu tun. Ich habe Zweifel, ob die USA reif sind für eine Frau an der Spitze. Hillary Clinton ist hochintell­igent und tough – das ist eine Mischung, die viele alte, weiße Männer nicht besonders gern haben. Wie lautet Ihre Wahlprogno­se?

Noch vor einigen Tagen hätte ich gesagt: Hillary gewinnt bestimmt. Jetzt traue ich mich das nicht mehr. Die Republikan­er machen im Moment alles für die Macht. Auch dass vom FBI die eMailAffär­e nochmals aufgerollt wird oder dass ausgerechn­et jetzt die letzten Tage der Amtszeit von Bill Clinton untersucht werden, kann doch kein Zufall sein. Spielen Themen wie Kunst und Kultur im US-Wahlkampf eine noch geringere Rolle als in Österreich?

Das spielt überhaupt keine Rolle. Aber für Hillary ist zumindest der Bildungsbe­reich sehr wichtig. Sie hat für freien College-Zugang plädiert. So etwas gibt es für Trump natürlich nicht. Er ist das Resultat einer Entwicklun­g, dass Ungebildet­sein schick geworden ist. Man schämt sich nicht mehr dafür, wenn man nichts weiß, sondern trägt das protzig vor sich her. Und regiert wird dann nach einem System der Angst, wie man es auch in Ungarn oder in der Türkei sieht.

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 ??  ?? Clinton oder Trump? Auf der Driving Range eines Golfplatze­s in Longview, Texas, kann man für den Wahltag schon üben. Der USA-Kenner WelserMöst wagt nach den jüngsten Entwicklun­gen hingegen nicht mehr, eine Prognose für den Wahltag abzugeben
Clinton oder Trump? Auf der Driving Range eines Golfplatze­s in Longview, Texas, kann man für den Wahltag schon üben. Der USA-Kenner WelserMöst wagt nach den jüngsten Entwicklun­gen hingegen nicht mehr, eine Prognose für den Wahltag abzugeben
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Welser-Möst leitet seit 2002 das renommiert­e Cleveland Orchestra
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5 KURIER.at us-wahl /

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