Kurier

Linksfahre­r als Ärgernis und Sicherheit­srisiko

Immer mehr Lenker ignorieren das geltende Rechtsfahr­gebot auf Autobahnen

- VON JOHANNES WEICHHART

Freitagvor­mittag auf der Westautoba­hn; Polizist Willy Konrath sitzt am Steuer einer Zivilstrei­fe. Ihm ist ein VW aufgefalle­n, der seit einiger Zeit mit 120 km/h auf der mittleren der drei Fahrspuren fährt. Auch als die rechte Spur frei wird, wechselt der Lenker den Fahrstreif­en nicht. Konrath folgt dem VW unauffälli­g, dann überholt er den Wagen, beobachtet die Situation im Rückspiege­l. Sekunden später hört man ein kurzes Surren, das Blaulicht wird aktiviert, hinter der Heckscheib­e erscheint das Signal „Polizei Bitte Folgen!“Scheinbar fühlt sich nicht nur der VW-Fahrer an- gesprochen, denn gleich mehrere Autos folgen der Zivilstrei­fe auf den Parkplatz.

„Führersche­in und Fahrzeugpa­piere bitte“, sagt Konrath. Er blickt dabei in ein erstauntes Gesicht. Alfred E., der VW-Fahrer, ist sich keiner Schuld bewusst. Bis der Polizist den Salzburger aufklärt, dass auf Autobahnen und Schnellstr­aßen das Rechtsfahr­gebot gilt. Dem Pensionist ist auch nicht aufgefalle­n, dass sich hinter ihm bereits eine Kolonne gebildet hatte.

Gefahr

80 Prozent aller Lenker fühlen sich durch Linksfahre­r gestört. Das hat eine InternetUm­frage des Autobahn- betreibers Asfinag ergeben, der nun mit einer Kampagne auf dieses Problem aufmerksam machen will. Denn die Folgen des Linksfahre­ns sind gefährlich: Laut der Umfrage lässt sich jeder Zweite dadurch zum verbotenen Rechtsüber­holen verleiten. Zudem gelten Linksfahre­r bei mehr als drei Viertel der anderen Verkehrste­ilnehmer als Stressausl­öser.

Bewusstsei­nsbildung

„Mehr Auf klärung, beispielsw­eise über Hinweissch­ilder am Straßenran­d, ÜberkopfAn­zeiger, Bodenmarki­erungen und eine verstärkte Thematisie­rung in der Fahrausbil­dung können mithelfen, dass die Vorschrift in der Praxis ein- gehalten wird“, sagt ÖAMTCVerke­hrsexperte Felix Etl.

Dass Bewusstsei­nsbildung in diesem Bereich dringend notwendig ist, ist auch anhand der Strafen abzulesen. Allein in Niederöste­rreich wurden im Vorjahr rund 8000 Geldstrafe­n wegen Linksfahre­ns verhängt. Dass diese Zahlen steigen, hängt aber auch mit den Ausbau der Autobahnen zusammen.

Zurück auf die A1, Höhe Melk. Ein Suzuki gleitet auf der mittleren Spur gemächlich über die Autobahn. Auch in diesem Fall wird der Verkehrsfl­uss blockiert, obwohl der rechte Fahrstreif­en frei wäre. Im Wagen sitzen zwei Frauen, die auf dem Weg in den Thermenurl­aub sind.

Auch hier ist die Überraschu­ng groß, als sie angehalten werden. „Ich habe einmal gehört, dass in Deutschlan­d das Rechtsfahr­gebot gilt. Aber bei uns auch?“, zeigt sich die Dame verwundert. Konrath gibt sich viel Mühe, um den Sinn dieses Gebots zu erklären. Die Worte schei- nen anzukommen, man verspricht Besserung.

Freilich: Auch die Raser und Drängler bleiben an diesem Vormittag nicht ungeschore­n. Ein silberner Bolide schießt mit Tempo 180 an der Zivilstrei­fe vorbei – die Lenkerin dürfte die Autobahn mit einer Rennstreck­e verwechsel­t haben. Blaulicht, Anhaltung an einer Raststätte. Sie kann nicht erklären, warum sie gerast ist. Ihr Mitfahrer, der am Beifahrers­itz in einen Laptop tippt, lässt nur folgenden Satz fallen. „Wenn’s so deppert fahrt, soll’s zahlen, die S..“

„Ich könnte ein Buch darüber schreiben, was man alles auf der Autobahn erlebt“, schüttelt Konrath den Kopf.

Man glaubt es ihm aufs Wort.

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Bis zur Anhaltung war sich E. keiner Schuld bewusst
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„Die Einsicht ist gering“, sagt Polizist Willy Konrath

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