„Tut rasch was zur Rettung Europas“
EU-Jugendkongress in Wien. Flammende Appelle an die Brüsseler Spitzen Jean-Claude Juncker & Martin Schulz
Es war ein Wiener Kongress der Europäischen Jugend, der gestern über die Bühne ging. Vor mehr als 200 Jahren trafen sich hier in Wien Monarchen, Fürsten, Diplomaten und Generäle, um in mühsamen Verhandlungen Europa neu zu ordnen – für Frieden und Stabilität auf dem Kontinent, zumindest für ein paar Jahrzehnte.
Gestern stellten hier junge Menschen mit viel Polit-Prominenz ihre Pläne für ein modernes Europa vor. Monatelang beschäftigten sie sich mit einer neuen europäischen Architektur. Die EU-Spitzen, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz, reisten extra an, um deren Ideen zu hören. Fünf Jugendliche stellten ihre Konzepte vor: Wie soll Europa wirtschaftlicher und wettbewerbsfähiger werden? Was muss für mehr Demokratie gemacht werden? Was sagt man wütenden Menschen, die mit dem europäischen Projekt nichts anfangen können und sich abgehängt fühlen?
Die EU-Granden hörten aufmerksam zu, was die Jungen Ihnen mit auf den Weg gaben: „Tut rasch etwas für ein funktionierendes Europa, für schnellere Entscheidungen und für die Rettung des europäischen Sozialmodells“– das war ihre klare Botschaft an Juncker und Schulz. Anwesend waren aber nicht nur die hohen Gäste aus Brüssel, sondern auch Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Deren Aufgabe ist es, EU-Entscheidungen auf nationaler Ebene umzusetzen und den Österreichern stets aufs neue Europa – von Migration bis zu den umstrittenen Freihandelsverträgen – zu erklären.
„Europa sind wir alle“
Kern sieht die Herausforderung der Zukunft in der unglaublichen Beschleunigung, die durch Globalisierung und Technologie-Entwicklung eingetreten sei. Man vergesse dabei jene Menschen, die nicht von der Wohlstandsentwicklung profitieren.
Mitterlehner will nicht, dass sich die EU in Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten einmischt. „Die EU muss sich auf große, grenzüberschreitende Lösungen konzentrieren, nicht auf Kleinigkeiten. Dann wird die EU auch wieder an Vertrauen gewinnen.“Er verlangte auch „schnellere und transparentere Entscheidungen sowie eine bessere Kommunikation. Dafür sind die EU und die Mitgliedsländer gefordert“. Denn: „Europa sind wir alle.“
In einer Podiumsdiskussion gingen Juncker, Schulz, Kern und Mitterlehner auf die Forderungen der Jugendlichen ein. Der Bundeskanzler betonte, dass die EU eine Wende brauche. Er plädierte für mehr Gerechtigkeit, das seien auch die Anliegen der Jungen.
Schulz gibt offen zu, dass der Zustand der EU „besorgniserregend“sei. Er verlangte eine klarere Kompetenzverteilung. Juncker sprach die Frage von Krieg und Frieden an. 55 Kriege gebe es derzeit auf der Welt, aber keinen auf dem Territorium der EU. An den Rändern der EU sei der Krieg aber angekommen. „Friede ist nicht selbstverständlich“, betonte der Kommissionspräsident.
Ermahnende Worte gab es von dem ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky und Franz Fischler. Der Ex-EU-Kommissar meinte, dass Europa „da und dort anpassungsbedürftig“sei. Vranitzky warnte vor zunehmendem Populismus. „Europa-Gegner haben die Unsicherheiten längst aufgegriffen.“Beide Europaerfahrenen Politiker leiteten das Projekt des Wiener Kongresses der Europäischen Jugend.