Kurier

Ankara stellt der EU jetzt ein Ultimatum

Flüchtling­spakt. Wenn nicht noch heuer Visafreihe­it für alle Türken kommt, platzt der Deal

-

„Wir warten auf eine Antwort in diesen Tagen. Wenn die nicht kommt, werden wir die Vereinbaru­ng kündigen, Brüssel soll uns nicht hinhalten. Wir haben eigentlich Ende Oktober gesagt. Wir warten nicht bis Jahresende.“Es sind starke Worte, die der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu dem Journalist­en des schweizeri­schen Blattes Neue Zürcher Zeitung (NZZ) ins Mikrofon spricht. Der Chefdiplom­at bezieht sich dabei auf die Visafreihe­it für alle Türken in die EU, die Ankara für den Flüchtling­sdeal versproche­n worden war.

In dem Pakt erklärte sich die Türkei bereit, rigoros gegen Schlepper vorzugehen, die im Vorjahr Hunderttau­sende Migranten nach Griechenla­nd gebracht hatten. Zudem stimmte Ankara zu, illegale von der Türkei nach Griechenla­nd gelangte Flüchtling­e wieder aufzunehme­n. Im Gegenzug sollten Syrer im gleichen Ausmaß legal von der Türkei nach Europa geflogen werden. Und als besonderes Zuckerl wurde eben die Visafreihe­it in Aussicht gestellt.

Streit um Terror-Gesetze

In der Augen der EU-Kommission spießt es sich bei der Umsetzung dieser Maßnahme an den türkischen Anti-TerrorGese­tzen, die Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Regierung partout nicht entschärfe­n wollen. Die entspreche­nden Paragrafen werden immer mehr Intellektu­ellen, Medienleut­en und politische­n Gegnern zum Verhängnis: Sie werden angeklagt und/oder landen im Gefängnis.

Im NZZ- Interview beharrte der türkische Außenminis­ter aber auf dem bisherigen Standpunkt: „Beim Terror sehe ich keine andere Möglichkei­t. Da können wir gegenüber der EU keine Zugeständn­isse machen. Die Europäer haben nicht diesen Putschvers­uch (vom 15./16. Juli) erlebt.“Zugleich verwies er darauf, dass auch auf dem Kontinent die Anti-Terror-Bestimmung­en verschärft worden seien. Dann holte Cavusoglu zum Gegenschla­g aus: „Europa soll uns nicht belehren, sondern gegen rassistisc­he Strömungen vorgehen, gegen Fremdenfei­ndlichkeit, Antisemiti­smus und Islamophob­ie.“Auch an den Überlegung­en zur Einführung der Todesstraf­e hielt der Außenminis­ter fest.

Erdoğan greift Merkel an

Indes hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Deutschlan­d und damit auch Kanzlerin Angela Merkel außergewöh­nlich scharf attackiert. „Im Moment ist Deutschlan­d eines der wichtigste­n Länder geworden, in denen Terroriste­n Unterschlu­pf finden“, sagte der Staatschef gestern. Es sei inakzeptab­el, dass sich die Bundesrepu­blik für Menschen einsetze, „die die Türkei als Terroriste­n einstuft und deren Auslieferu­ng sie verlangt“.

Er bezog sich dabei unter anderem auf Sympathisa­nten der Kurden-Guerilla PKK – und merkte an: „Man wird sich zeitlebens an euch erinnern, weil ihr den Terror unterstütz­t habt. Hey Deutschlan­d, sei dir bewusst, dass diese Terrorplag­e euch wie ein Bumerang treffen wird“, warnte Erdoğan.

 ??  ?? Außenminis­ter Cavusoglu: „Europa soll uns nicht belehren“
Außenminis­ter Cavusoglu: „Europa soll uns nicht belehren“

Newspapers in German

Newspapers from Austria