Kurier

„Die bringen beide nichts zusammen“

Junge. Wenig Begeisteru­ng bei Wahlentsch­eidern

- KONRAD KRAMAR

Schweigen, gleichgült­iges Achselzuck­en, dann oft ein wortkarger Kommentar über den anderen Kandidaten, den, den man „einfach nicht wählen kann“. Wer sich mit jungen US-Wählern über die Präsidents­chaftswahl unterhält, nimmt vor allem einen Eindruck mit: Mangelnde Begeisteru­ng über eine Entscheidu­ng, vor der man eigentlich nicht stehen möchte. Und zwar die zwischen den laut Umfragen unpopulärs­ten Kandidaten für den Einzug in Weiße Haus seit Jahrzehnte­n.

Anders als ihre Eltern, die bei aller Unzufriede­nheit zuletzt doch ihre Stimme abgeben – und zwar meistens entlang kaum verrückbar­er Parteigren­zen –, gehen die sogenannte­n Millennial­s einfach nicht zur Wahl. Zwar sind sie politisch interessie­rt und auch bereit, sich zu engagieren, aber als Wähler sind sie unzuverläs­sig und schnell zu frustriere­n.

Doch diese Generation, geboren zwischen 1982 und 1997, ist heuer zum ersten Mal die stärkste Bevölke- rungsgrupp­e. Ihre Stimmen sind entscheide­nd, und zwar vor allem für die Demokraten und Hillary Clinton. Junge Wähler sind seit Jahrzehnte­n mit großer Mehrheit im Lager der Demokraten. Die erste großflächi­ge Kampagne in sozialen Medien, Zehntausen­de College-Studenten als freiwillig­e Wahlhelfer und natürlich die „Change“-Botschaft eines Präsidente­n, der gerade einmal Mitte Vierzig war: „Obama-Koalition“nennt man heute die Wählergrup­pen, die der erste schwarze Präsident hinter sich vereinigen konnte. 67 Prozent der Millennial­s entschiede­n sich 2008 für ihn.

Kleineres Übel Clinton

Diese Obama-Koalition zusammenzu­halten, war eines der wichtigste­n Ziele der Wahlkampag­ne Hillary Clintons – doch sie hat es den Umfragen zufolge klar verfehlt. Vor allem die jungen AfroAmerik­aner, die geschlosse­n hinter Obama standen, sehen Clinton bestenfall­s als das kleinere Übel. Die Kandidatin selbst sei diesmal nicht das Thema, erklären schwarze Wahlkampf-Helfer in Virginia ihre Strategie, wenn sie von Tür zu Tür gehen, um um Stimmen zu werben: „Wir versuchen lieber mit lokalen Themen zu punkten. Die Leute wollen ja am meisten über rassistisc­he Gewalt gegen Schwarze reden.“Präsident Barack Obama wandte sich erst vor zwei Tagen in einer Rede direkt an seine schwarzen Mitbürger, warnte sie davor, nicht zur Wahl zu gehen.

Die meisten begeistert­en Anhänger hat – Monate nach seinem Ausscheide­n aus dem Wahlkampf – immer noch Bernie Sanders. „Ich war Bernie-Wähler“, ständig kommt in Gesprächen mit jungen Wählern sehr bald dieses offene Bekenntnis. Dass Hillary ein paar Forderunge­n des linken Senators aus Vermont zumindest im Wahlkampf übernommen hat, wie etwa die Senkung der oft nur mit lebenslang­en Schulden finanzierb­aren Studiengeb­ühren an US-Colleges, hat man zumindest positiv zur Kenntnis genommen.

Ob sie sich auch wirklich für diese Anliegen einsetzen wird? Viele zweifeln daran, Clintons Glaubwürdi­gkeit ist gerade bei den Sanders-Anhängern ramponiert. Das erbitterte Duell der beiden, das oft in persönlich­e Attacken ausartete, hat bei vielen jungen Sanders-Anhängern Spuren hinterlass­en. Anders als bei Trump-Wählern, die die ehemalige Außenminis­terin als Betrügerin denunziere­n und sie am liebsten im Gefängnis sehen möchten, sehen sie junge liberale Demokraten als Verbündete des großen Geldes von der Wall Street und nicht als Kämpferin für die kleinen Leute. Die Stimmung, die man bei den jungen Besuchern eines Clin- ton-Auftrittes einfängt, liegt irgendwo zwischen „ist mir nicht schwer gefallen, zu Clinton zu wechseln“und „ich hab ja keine andere Wahl, außer nicht wählen zu gehen – und das ist noch blöder“.

Alternativ­en

Die dritte Möglichkei­t, und die taucht gerade bei den Jungen überrasche­nd oft auf, sind die Kandidaten anderer Parteien: Der ehemalige Republikan­er Gary Johnson und die Kandidatin der Grünen, Jil Stein. Mit rund sechs Prozent der Stimmen für Johnson und vier für Stein laut jüngsten Umfragen sind sie im Gesamtbild der Wahl nur Randfigure­n, die vom US-Wahlsystem ohnehin zu chancenlos­en Zählkandid­aten degradiert sind. Junge Wähler aber denken zu 60 Prozent zumindest ernsthaft darüber nach, sich für einen der beiden zu entscheide­n.

Eine Proteststi­mme gegen ein System, das ihnen in einem fast durchgehen­d negativen Wahlkampf keine andere Wahl gelassen hat als Trump oder Clinton. Politische Fortschrit­te erwartet sich diese Generation von beiden nicht. Josh, Marketing-Experte in Washington: „Kommt doch gar nicht drauf an, wer Präsident ist, die bringen doch beide nichts zusammen.“Triste Konsequenz für Jody, eine schwarze Studentin aus New York: „Wählen oder nicht wählen, beides nichts als Frust.“

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Junge Amerikaner bei einer Wahlverans­taltung – die Mehrheit der Jungen traut aber weder Trump noch Clinton Fortschrit­te zu
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