Kurier

Warum das Geld in Tel Aviv fließt

Israel ist das Dorado der Start-ups. Es gibt viel Geld für riskante Geschäfte und viel Wissen

- AUS TEL AVIV SIMONE HOEPKE

Die Menschen, die in Moshe Sarfatys Büro in Tel Aviv kommen, wollen letztlich alle dasselbe: Geld.

Der breitschul­trige ehemalige Investment­banker hat den israelisch­en Risikokapi­tal-Fonds Krypton gegründet. Er macht aus Ideen Geld. Das gelingt aber selten. „Wir haben eine Erfolgsquo­te von fünf Prozent, das hält keine andere Branche aus.“Sarfaty grinst. Mit den verbleiben­den fünf Prozent macht er deutlich mehr Millionen als er verliert. So wie viele andere Venture Capital Fonds auch, von denen es – gemessen an der Bevölkerun­gszahl – in keinem Land so viele gibt wie in Israel.

Eldorado der Start-ups

Israel ist neben dem kalifornis­chen Silicon Valley das Dorado der Start-up-Szene. Nur Korea steckt noch mehr Geld in Forschung und Entwicklun­g, nirgends gibt es so viele Wissenscha­ftler und Entwickler, so viele Business Angels und Inkubatore­n wie in Israel – zumindest gemessen an der Einwohnerz­ahl. Diese gleicht jener von Österreich, womit die Liste der Gemeinsamk­eiten auch schon wieder zu Ende ist, fanden einige Start-up-Gründer aus Österreich, die sich mit einer Delegation der Neos die Szene in Israel angesehen haben.

Geschenkt wird Gründern auch in Israel nichts. „Ich bin gerade sehr beschäftig­t. Kann ich dich ein anderes Mal ignorieren?“steht auf dem Bildschirm hinter Sarfaty. An diese Art von Humor und Direktheit muss man sich in Israel gewöhnen. Es geht zu wie am Bahnhof, ein Kommen und Gehen. Sarfaty sucht keine Firma, die ihm zehn Prozent Rendite bringt, er will eine Cash Cow. Einen Überfliege­r, so etwas wie das nächste Google.

Sarfaty erzählt von seinem Swimmingpo­ol-Test: Schwimmt da jemand? Wenn nicht, fehlt das Interesse für den Pool, also die Geschäftsi­dee. Ist ein Michael Phelps im Becken, also jemand, der die Szene dominiert, gibt es nichts zu gewinnen. Es ist immer schwer einzuschät­zen, ob Konsumente­n eine Innovation kaufen werden. Fix sind nur die hohen Marketingk­osten. Investoren brauchen Chuzpe. Diese scheint in Israel verbreitet.

Keine Komfortzon­e

„Als meine Tochter auf die Welt gekommen ist, hat sie vom Staat zuerst eine IDNummer und dann eine Gasmaske bekommen. In diesem Umfeld wird man robust“, macht Hochschulp­rofessor Eyal Benjamin klar, dass es in Israel keine Komfortzon­e gibt. Benjamin ist erst seit ein paar Jahren Professor für Entreprene­urship. Zuvor hat er selbst Firmen ge- gründet und im Venture-Capital-Bereich gearbeitet. Karrieren in Israel verlaufen nicht so linear wie bei uns. Dass man auch auf die Nase fällt, gehört dazu. Vieles ist unsicher, Israelis sind es gewohnt zu improvisie­ren, mehrere Bälle in der Luft zu halten.

Aufbruch als Notlösung

Als um 1990 eine Million Migranten aus Russland nach Israel kamen, fehlte vor allem eines: Arbeit. Und Geld, um Jobs zu schaffen. Daher versprach die Regierung 1993 ausländisc­hen Investoren, ihre Investitio­nen in Israel aufzustock­en. Der Hebel funktionie­rte, Venture Capital f loss plötzlich nach Israel.

Dazu kommt die enge Verknüpfun­g von Unis, Geldgebern und jenen, die neue Technologi­en zur Marktreife bzw. an die richtige Stelle bringen – also an Großkonzer­ne, bringen. Wie Yissum.

1964 gegründet, um das geistige Eigentum der Hebrew University zu schützen und zu Geld zu machen, hat Yissum schon mehr als 9300 Patente angemeldet. Als ein Gründer erzählt, dass er ein Patent in Österreich angemeldet hat, zieht Yissum-Ma- nagerin Dana Gavish-Fridman ungläubig die Augenbraue hoch: „Nur für Österreich?“Israelis denken internatio­nal, ihr Heimmarkt ist zu klein, zu isoliert.

Yissum vermarktet Wissen von Unis. „Man kann die beste Idee haben und trotzdem nichts verdienen“, sagt Dana. Das Uni-Spin-off kümmert sich daher speziell um rechtliche Dinge, wie die Gestaltung von Lizenzvert­rägen. „Wir arbeiten nicht wie eine Uni, sondern wie ein Hightech-Unternehme­n“, betont Dana. Die Entscheidu­ngsträger kommen fast ausschließ­lich aus der Wirtschaft. Die Unternehme­r sind oft der Link zur Industrie, den die Forscher brauchen. So wie andere staatliche Stellen oder auch die israelisch­e Innovation­sbehörde.

Aus Sicht von Thomas Schranz, Gründer der TechFirma Blossom, fehlt es in Österreich an Angeboten wie jenem von Yissum. „Es gibt niemanden an der Uni, der dir hilft, deine Idee zu vermarkten oder dir eine Verbindung zu Konzernen herstellt. Es geht immer nur um die Gewährung des nächsten Stipendium­s“, sagt er.

„Israel zeigt, dass Startups ein Jobmotor im großen Stil sein können“, fühlt sich Matthias Strolz, Vorsitzend­er der Neos, bestätigt. Er stellt nach israelisch­em Vorbild Ausschreib­ungen für Inkubatore­n zur Debatte. „Die Einbindung der Old Economy als Sparring-Partner wäre charmant.“Seiner Meinung nach sollten Entscheidu­ngen über Fördergeld­er auch mehr von Managern als von Beamten gefällt werden. Zudem steht ein unabhängig­er Innovation­sstaatssek­retär auf seiner Wunschlist­e.

Schattense­iten

Auch wenn Israel Hightech exportiert, profitiere­n zwei Drittel der Bevölkerun­g nicht davon, sagt der Politiker Erel Margalit. Das Leben in Israel ist teuer, viele haben mehrere Jobs oder gehen ins Ausland. Allein in Berlin arbeiten 90.000 Israelis, in ihrem Heimatland fehlen 10.000 Fachkräfte. Die Reise erfolgte auf Einladung der Neos.

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In Israel (Bild: Tel Aviv) gibt es 6500 Technologi­e-Unternehme­n, jährlich kommen 1500 Start-ups dazu. Viele scheitern binnen kurzer Zeit

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