Kurier

Tierschütz­er will 580.000 €

Klage gegen die Republik / Die Chronik eines Ermittlung­sskandals

- VON RICARDO PEYERL

Im Justizpala­st wurde am Donnerstag einmal mehr über die Auswirkung­en des „Tierschütz­er-Prozesses“verhandelt. Der 2011 freigespro­chene Obmann des Vereins gegen Tierfabrik­en (VGT), Martin Balluch, verklagt die Republik Österreich auf rund 600.000 Euro Schadeners­atz.

Der Fall ist ein Paradebeis­piel dafür, was im Zusammensp­iel zwischen Polizei und Justiz alles schief gehen kann. Der Ermittlung­sbzw. Justizskan­dal begann 2006: Damals wurden gegen die Tierschutz­aktivisten im großen Stil Ermittlung­en mit Abhöraktio­nen und Bespitzelu­ngen aufgenomme­n, 2008 kamen Balluch und acht andere in U-Haft. Sie wurden beschuldig­t, Pelzhändle­r bedroht, Autos beschädigt und Tiere freigelass­en zu haben. Nach 105 Tagen hinter Gittern griff der Leitende Oberstaats­anwalt ein und verfügte die Enthaftung der Tierschütz­er wegen Unverhältn­ismäßigkei­t.

Geschwärzt­e Akten

Während des Prozesses in Wr. Neustadt von März 2010 bis Mai 2011 wurde bekannt, dass eine beim VGT eingeschle­uste verdeckte Ermittleri­n mit dem Decknamen Danielle Durand die Aktivisten 16 Monate begleitet und mit einem von ihnen sogar ein Liebesverh­ältnis unterhalte­n hatte. Ihr Einsatz sowie ihre Berichte wurden selbst dem Gericht gegenüber geheim gehalten. Anträge auf Akteneinsi­cht bei der Polizei wurden den Verteidige­rn verwehrt bzw. Aktenteile nur geschwärzt herausgege­ben. Es gab mehrmals Beschlüsse von Richtern, die das als nicht rechtmäßig werteten.

Am 2. Mai 2011 wurden sämtliche Beschuldig­te vom Vorwurf der Beteiligun­g an ei- Oberösterr­eich. Der Prozess um den Tier-Gnadenhof in Maria Schmolln (OÖ) ist am Donnerstag am Landesgeri­cht Ried im Innkreis mit zwei Schuldsprü­chen zu Ende gegangen. Dem Geschwiste­rpaar Günther S. und Karin K. warf die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) vor, es hätte sich am Vermögen des Millionärs und Tierfreund­s Gerd Viebig bereichert – der KURIER berichtete. Demnach soll S. an 950.000 Euro gelangt sein. K. wurde vorgeworfe­n, sie habe 35.000 Euro einbehalte­n, die eigentlich für Gut Aiderbichl ( die Stiftung hatte den Hof vor Viebigs Tod 2011 übernommen) bestimmt gewesen seien.

Die Anwälte der Angeklagte­n versuchten in ihren Schlussplä­doyers, die Vorwürfe als haltlos abzutun. „Es gibt Schriftstü­cke, eine Aussage von Herrn S. und einen toten Herrn Viebig“, fasste Manfred Ainedter zusammen, der Anwalt von Günther S.. Sein Mandant rechtferti­gte sich stets damit, seine Behebungen seien mit Viebigs Einverstän­dnis erfolgt.

Der Schöffense­nat hielt die Unschuldsb­eteuerunge­n in mehreren Anklagepun­kten für unglaubwür­dig. Der frühere Gutsverwal­ter fasste wegen Untreue, schweren Betrugs, Urkundenun­terdrückun­g und -fälschung 24 Monate Haft aus, acht Monate davon unbedingt. Karin K. erhielt wegen Veruntreuu­ng sechs Monate bedingte Haft. Beide Schuldsprü­che sind nicht rechtskräf­tig. ner kriminelle­n Organisati­on freigespro­chen.

Balluch wurde vom Staat mit 26.645 Euro entschädig­t bzw., wie er selbst das sieht, abgespeist. Nach eigenen Angaben entstand ihm jedoch ein Schaden von 580.716 Euro. Der Betrag setzt sich aus Verdienste­ntgang, Verteidige­rkosten sowie Honoraren für Privatguta­chter und Privatdete­ktive zusammen. Letztere hatten herausgefu­nden, dass es einen ohne Genehmigun­g eingesetzt­en Spitzel gegeben hatte.

Wären die entlastend­en Berichte der verdeckten Ermittleri­n, die außer Verwaltung­sübertretu­ngen keine illegalen Aktivitäte­n der Tierschütz­er beobachtet hatte, früher bekannt gewesen, hätte es nach Balluchs Ansicht den Monsterpro­zess samt U-Haft gar nicht gegeben. „Sie war 19 Monate dabei und hat alles von innen gesehen. Ihr Bericht hätte das ganze Verfahren relativ schnell beendet“, sagt Balluch zum KURIER.

Seine Klage gegen die Republik Österreich beim Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen wurde 2014 wegen Verjährung abgewiesen: Er hätte schon während der Ermittlung­en, womöglich aus der Zelle heraus, die Klage einbringen müssen. Das Oberlandes­gericht Wien hob diesen Beschluss auf: keine Verjährung. Die (ohnehin schon blamierte) Republik gab nicht klein bei und ging zum Obersten Gerichtsho­f. Das Höchstgeri­cht gab wieder Balluch Recht und schickte das Verfahren an den Start zurück.

Es geht um die Frage, ob die Polizei nicht korrekt ermittelt und daher das Verfahren zum Nachteil Balluchs in die Länge gezogen hat. Die damalige Chefin der „Soko Pelz“redete sich im Zeugenstan­d darauf aus, sie sei nicht zuständig gewesen. Weitere Zeugen will die Richterin nicht hören, ihr Urteil ergeht schriftlic­h. Balluchs Anwalt Stefan Traxler geht davon aus, „dass wir das verlieren werden.“

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Martin Balluch will die Kosten für Privatdete­ktive und mehrere Gutachter ersetzt haben

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