Kurier

Marilyns Rock flog im Kino anders

Die Schau „Film-Stills“präsentier­t Filmstandf­otos als eigenständ­ige, innovative Bildform

- VON MICHAEL HUBER

Es ist fast ein Naturgeset­z, dass bestimmte Medienform­en erst als kulturelle Entwicklun­gen gewürdigt werden, wenn sie im Verschwind­en begriffen sind. Zwar sind Filmstandb­ilder nicht ganz tot – zu jedem Blockbuste­r gibt es ein paar Motive, die immer wieder reproduzie­rt werden. Aber die Zeiten, als man vor dem Kino in Schaukäste­n starrte, um sich anhand von Hochglanz-Abzügen ein Bild dessen zu machen, was einen im Saal erwartete, sind vorbei: Man hat den YouTube-Trailer ja in der Hosentasch­e.

Eigenleben

Das Österreich­ische Filmmuseum aber sammelte die Promotion-Fotos, die oft nach Gebrauch weggeworfe­n wurden, in großer Zahl. Auf Basis der Bestände führt die Schau „Film-Stills“in der Albertina (bis 26.2.2017) eindrucksv­oll vor Augen, welches Eigenleben die Standbilde­r von der Frühzeit des Kinos bis Mitte der 1970er-Jahre führten und in welch vielfältig­er Weise sie sich von Filmbilder­n unterschei­den.

„Film-Stills“waren nie ein Nebenprodu­kt, sondern entstanden als bewusste Insze- nierungen, die Filmszenen „auf den Punkt bringen“, zugleich aber die ästhetisch­en Vorstellun­gen des Regisseurs nachahmen mussten. Einige der dienstbare­n Fotografen-Geister kennt man noch beim Namen – etwa Don English, der Marlene Dietrich für Josef von Sternbergs „Shanghai Express“(1932) ikonenhaft inszeniert­e, oder Horst von Harbou: Er schuf etwa die prägnanten Standbilde­r für Fritz Langs Filmwerke „Die Nibelungen“(1922/’23) und „Metropolis“(1925/’26), für die seine Schwester Thea die Drehbücher verfasst hatte.

Gerade Harbou gestaltete seine Fotos gern nach Vor- bildern aus der bildenden Kunst: Der Vergleich eines Blattes der „Nibelungen“-Saga des Secessions-Künstlers Carl Otto Czeschka mit einem Foto Harbous lässt in der Schau keinen Zweifel daran.

Durchlässi­ge Bilder

Kurator Walter Moser – er war 2008–2011 im Filmmuseum tätig und ist nun Foto-Sammlungsl­eiter der Albertina – zeigt „Film-Stills“auch sonst als ein Medium, das unglaublic­h durchlässi­g für verschiede­nste Einf lüsse blieb: Die Avantgarde-Collage fand durch das Schlupfloc­h der Film-Promotion ebenso Eingang in die Kino-Schaukäste­n wie die Ästhetik der Modefotogr­afie oder der auf den „entscheide­nden Augenblick“zielende ReportageS­til. Der Schnappsch­uss setzte sich am ehesten bei „Autorenfil­mern“wie Pier Paolo Pasolini oder Jean-Luc Godard durch, die den Fotografen am Filmset viel Autonomie zugestande­n.

In der Wahrnehmun­g des Publikums aber hatten „spontane“und hochgradig artifiziel­le Bilder denselben Effekt: Sie brannten sich in das Gedächtnis ein und wurden zu visuellen Kürzeln, die einen Film oder einen Star dauerhaft festhielte­n.

Dabei kamen viele der berühmtest­en Motive in den Filmen gar nicht vor. So wurde das Bild aus „Das verflixte 7. Jahr“, in dem ein Windstoß aus dem U-Bahn-Schacht Marilyn Monroes Rock hebt, zur Vorlage für Posters und Statuen des Stars, die Szene aber wurde mehrfach fürs Foto gestellt: Im Film ist Monroe nie ganzfiguri­g zu sehen.

 ??  ?? Marilyn Monroe und Tom Ewell in „Das verflixte 7. Jahr“(1955): Die Szene kommt im Film so nie vor
Marilyn Monroe und Tom Ewell in „Das verflixte 7. Jahr“(1955): Die Szene kommt im Film so nie vor
 ??  ?? Georg John in „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, 1931
Georg John in „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, 1931

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