Flughafen-Tower mit Sicherheitsproblem?
Affäre um Ministeriumsberichte. Hinweise auf Blendung der Fluglotsen bei Überflügen sollen aus Bericht verschwunden sein.
Wegen Sonnenblendung soll Jet mit 122 Passagieren im Tiefflug über den Parkplatz gelotst worden sein.
Der Flug im Juli 2008, der ein mögliches Sicherheitsproblem mit demTower amFlughafen-Schwechat offenbarte, erinnert an das Concorde-Inferno im Jahr 2000 in Paris: Beim Start des Iberia-MD-88Jets mit 122 Menschen an Bord brachen Teile des Fahrwerks ab, durchschlugen eine Tragfläche und wurden von einem Triebwerk eingesaugt. Passagiere nahmen drei Explosionen wahr. Der Pilot schaltete noch während des Startmanövers das beschädigte Triebwerk ab. Am Airport wurde Crash-Alarm ausgelöst, der Katastrophenzug der Feuerwehr alarmiert.
Was danach passierte, dürfte ein neues Kapitel in der Affäre um die Sicherheitsberichte des Verkehrsministeriums schreiben: Der Pilot wurde zunächst viel zu weit vom Flughafen weggelotst.
„Ein Gleitflug zum Flugplatz Schwechat zurück wäre bei Ausfall des zweiten Triebwerks aus 5000 Fuß
(ca. 1500 Meter, Anm.) Höhe nicht mehr möglich gewesen“, sagt der Luftfahrt-Experte und gelernte MD-88-Pilot Hellfried Aubauer dem KURIER. Vieles deutet darauf hin, dass der diensthabende Fluglotse hier einen Fehler gemacht haben dürfte.
Tiefflug über die OMV
Doch es kam noch schlimmer: Der Pilot konnte nicht sehen, ob sein Fahrwerk ausgefahren war. Er wollte vom Tower begutachtet wissen, ob die Räder vollständig ausgefahren sind. Doch statt dies über der Landebahn durchzuführen, flog der Jet mit 122 Personen im Tiefflug von rund 100 bis 200 Metern über den Parkplatz und die OMV-Raffinerie, wo Hindernisse wie hohe
Handymasten stehen. Der anschließende Sicherheitsbericht des Verkehrsministeriums hielt dazu fest: Laut Aussage des Flugverkehrsleiters war der Überf lug entlang der Piste im gegenständlichen Fall aus mehreren Gründen keine Option: Der Pilot bat darum
(...). Weitere Gründe werden nicht angeführt.
Weder das Verkehrsministerium, noch die Flugsicherung Austro-Control wollten auf Anfrage erklären, was die mysteriösen anderen Gründe waren. Laut zwei FlughafenInsidern soll eine der nicht genannten Ursachen ein Blendungsproblem für die Lotsen gewesen sein. Denn: Der Tower am Flughafen Schwechat ist nach Süden ausgerichtet. Der Vorfall war drei Stunden vor Sonnenuntergang – zu diesem Zeitpunkt steht die Sonne bereits tief.
Kaum ein anderer Flughafen hat einen so gegen die Sonne ausgerichteten Tower. Tatsächlich widerspricht das sogar internationalen Luftfahrtregeln: „Laut ,Flughafenplanungshandbuch, Teil 1 – Masterplanung“ist bei der Bestimmung der Position des Kontrollturms wichtig, Sonnenblendung zu vermeiden“, erklärt Anthony Philbin von der internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO.
Die Austro-Control bestreitet, dass es überhaupt ein derartiges Problem gibt. Auffallend ist allerdings, dass die Flugsicherung in den Ministeriumsberichten praktisch nie in die Verantwortung genommen wird. Dabei war die Austro Control – neben dem Absturz im Tiroler Ellbögen
(siehe Zusatzbericht) – auch am sogenannten Fume Event einer Bombardier-Maschine der AUA mit 48 Insassen beteiligt. Dabei gelangte im Mai 2005 giftiger Rauch in die Kabine, die Piloten mussten sogar ih- re Sauerstoffmasken aufsetzen – anschließend arbeiteten sie die entsprechenden Checklisten ab. Zwar gab es keine unmittelbar Verletzten, bei derartigen Fällen kann es aber auch später zu Klagen kommen.
Unter Punkt 2.2.1. des Berichts findet man einen interessanten Hinweis: Die Checklisten des Luftfahrtunternehmens (also der AUA) wichen von jenen des Herstellers Bombardier ab. Diese neuen Listen hatten dazu beigetragen, dass verstärkt ölhaltiger Rauch in die Luftfahrzeugkabine sowie in das Cockpit strömen konnte.
Giftiger Rauch
Genehmigt wurden die Checklisten, die toxische Vorfälle offenbar verstärken, von der Austro-Control. Doch weder bei den Ursachen, noch bei den Sicherheitsempfehlungen wird diese Tatsache im Bericht erwähnt. Dabei kann in solchen Fällen sogar ein sofortiges Flugverbot für die gesamte Flotte des betroffenen Flugzeug-Typs verhängt werden, bis das Problem behoben ist. „Nach Bekanntwerden wurde die Ge- nehmigung für das Handbuch in der erweiterten Form entzogen“, heißt es auf Anfrage im Verkehrsministerium. Und weiter: „Das Luftfahrtunternehmen hat die Handbücher wieder auf das Original-Handbuch des Luftfahrzeugherstellers umgestellt. Es gab somit keinen Anlass mehr für eine Sicherheitsempfehlung.“In anderen Fällen wurde dies aber sehr wohl erwähnt.
Interessantes Detail: Die für die Bundesanstalt für Verkehr zuständige Sektionschefin im Ministerium, Ursula Zechner, sitzt auch im Aufsichtsrat der Austro-Control. Im Verkehrsministerium sieht man keine Befangenheit: Zechner habe keine Möglichkeit, in die Formulierungen der Untersuchungsberichte einzugreifen, wird behauptet.
„Derartige Erklärungen kennen wir aus dem HypoAusschuss“, sagt Neos-Aufdecker Rainer Hable. „Das Wort Interessenskonflikt scheint im österreichischen Wörterbuch nicht vorzukommen.“