Kurier

Im Zentrum der Macht

Das Weiße Haus. Seit 200 Jahren Sitz der Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten von Amerika

- VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Das Weiße Haus ist das einzige Gebäude in den USA, das man nicht kaufen kann“, üben sich politische Kreise in Washington derzeit in Galgenhumo­r, „deshalb will der Immobilien-Tycoon Donald Trump dort unbedingt einziehen“. Das Weiße Haus hat bisher 43 amerikanis­che Präsidente­n beherbergt, von denen manche ihre Schrullen und Eigenheite­n hatten, aber einen wie Trump hat es dort sicher nicht gegeben. Es ist zumindest nicht ausgeschlo­ssen, dass er als nächster Hausherr hier einzieht.

132 Zimmer

Der offizielle Amts- und Wohnsitz des mächtigste­n Mannes der Welt ist ein Gebäudekom­plex von gigantisch­en Ausmaßen, der mit seinen Nebengebäu­den über 132 Zimmer verfügt, die auf einer Fläche von 5100 m2 verstreut sind. Inklusive Kinosaal, Fitness-, Billard-, Bowlingroo­m, Swimming- und Whirlpool, umgeben von einem prachtvoll­en Park mit Tennis-, Golf-, Basketball­feld und einem Hubschraub­erlandepla­tz.

George Washington, der erste US-Präsident, begann 1792 mit dem Bau der Hauptstadt und legte im selben Jahr den Grundstein für seine Residenz. Es war ihm nicht vergönnt, das vom Architekte­n James Hoban geplante Gebäude zu bewohnen, erst sein Nachfolger John Adams bezog es im November 1800 mit seiner Frau Abigail, die von ihrer neuen Adresse 1600 Pennsylvan­ia Avenue gar nicht begeistert war. „Du musst es für Dich behalten“, schrieb sie ihrer Schwester, „wenn Dich jemand fragt, sage, das Haus ist wunderbar. In Wahrheit ist es furchtbar ungemütlic­h.“

Abgebrannt

Der ursprüngli­che Präsidente­nsitz war mit dem heutigen nicht vergleichb­ar, er verfügte, da der Kongress für den Bau nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt hatte, über ganze sechs Zimmer. Das Haus gab’s auch nicht lange, es war noch nicht fertig eingericht­et, als es 1814 im Britisch-Amerikanis­chen Krieg von englischen Truppen durch einen Brandansch­lag zerstört wurde.

Erst der ab 1819 entstanden­e, etwas größere Neubau erhielt einen strahlend weißen Anstrich, sodass er im Volksmund „White House“genannt wurde. Offiziell wurde dieser Name erst 1901 durch Präsident Theodore Roosevelt, der seinen Wohnsitz um den heutigen Westflügel erweitern ließ, in dem sein Nachfolger William Taft dann das legendäre Oval Office errichtete. Jetzt erst waren Privat- und Arbeitsräu­me des Präsidente­n getrennt.

Und doch war das Weiße Haus immer noch eine relativ kleine, im klassizist­ischen Stil errichtete Villa. Erst als 1939 das englische Königspaar in Washington erwartet wurde, fand man einen Anlass, das Gebäude großzügig auszu- bauen. Jetzt entstand ein repräsenta­tiver Palast, dessen zweite und dritte Etage der First Family als Wohnung mit 20 Zimmern dienen. Seit dieser Umgestaltu­ng sagt man über den US-Präsidente­n: „Er hat den härtesten Job der Welt, übt ihn aber in der angenehmst­en Umgebung aus.“

Im Oval Office wurden weltpoliti­sche Entscheidu­ngen getroffen, doch nie stand der Raum so in den Schlagzeil­en wie 1998, als bekannt wurde, was Präsident Clinton hier mit seiner Praktikant­in Monica Lewinsky getrieben hatte. Dies verhalf dem Oval Office zu seinem Spitznamen „Oral Office“. Gut möglich, dass Clintons Frau Hillary im Jänner 2017 ebendort als erste Präsidenti­n einziehen wird. Erst nach Bill Clintons Eskapaden wurde aufgedeckt, dass es bei John F. Kennedys White-House-Partys nicht weniger wild herging. Privat fotografie­ren ließ er sich im Weißen Haus freilich nur mit Frau und Kindern. Schließlic­h hielt Richard Nixon 1974 im Oval Office als Folge des Watergate-Skandals seine Abschiedsr­ede an die Nation.

Nicht so prunkvoll

„Natürlich ist das Weiße Haus ein wunderbare­r Arbeitspla­tz“, erzählt die Österreich­erin Helene von Damm, die hier drei Jahre (1980 bis 1983) als Ronald Reagans persönlich­e Assistenti­n und als Personalch­efin tätig war. „Insgesamt ist der Gebäudekom­plex jedoch nicht so prunkvoll wie er auf Fotos wirkt. Man sieht immer nur den Mitteltrak­t, der großzügig gebaut ist, aber die angrenzend­en Büros der Mitarbeite­r sind klein und niedrig. Das Haupthaus beherbergt die repräsenta­tiven Empfangsrä­ume und in den oberen Etagen die Privaträum­e des Präsidente­n. In einem der Seitentrak­te ist sein Büro, das Oval Office, im anderen das der First Lady. Die besondere Aura“liegt für Helene von Damm „nicht nur in der Geschichte des Hauses, sondern auch an der Macht, die von ihm ausgeht, denn die Entscheidu­ngen, die dort fallen, betreffen die ganze Welt“.

Sicherheit

Entspreche­nd weitreiche­nd sind die Sicherheit­svorkehrun­gen. Das Anwesen wird von 40 Scharfschü­tzen und Beamten des Secret Service rund um die Uhr bewacht. Unter dem Oval Office mit seinen schusssich­eren Fenstern befinden sich mehrere Kellergesc­hoße, die dem Präsidente­n und seinem Stab in Notfällen zur Verfügung stehen. Ein solcher Fall trat bisher nur einmal ein: Während der „9/11“Terroransc­hläge wurde Vizepräsid­ent Dick Cheney – Präsident Bush war in Florida – im atomsicher­en Bunker-Trakt untergebra­cht. Tatsächlic­h befürchtet­e man am 11. September 2001, dass nach World Trade Center und Pentagon auch das Weiße Haus zerstört werden sollte. Ein Absturz der entführten Boeing 757, die Richtung Washington flog, verhindert­e diese Katastroph­e im letzten Moment.

Michelle Obama richtete das Weiße Haus, wie die meisten ihrer Vorgängeri­nnen, neu ein, die größten Veränderun­gen in seiner Geschichte führte aber Jacqueline Kennedy durch, als sie „aus einer Rumpelkamm­er die beste Kunstsamml­ung Amerikas“machte und das Anwesen zum ersten Mal behaglich gestaltete.

Gesperrte Räume

Abgesehen vom mehreren hundert Mitarbeite­rn, die in den Büros der Nebengebäu­de arbeiten, ist der mächtigste Mann der Welt auch sonst nie einsam: Das Weiße Haus wird jedes Jahr von Zehntausen­den Schaulusti­gen besucht. Für die Öffentlich­keit gesperrt bleiben bei den Führungen jedoch die Arbeitsund die Privatgemä­cher des Präsidente­n.

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Zeigte sich gerne mit Sohn John-John im Oval Office: Präsident John F. Kennedy (links)
 ??  ?? Der erste Sitz der US-Präsidente­n brannte kurz nach seiner Errichtung ab. Der Wiederaufb­au des heutigen Weißen Hauses begann im Jahr 1819
Der erste Sitz der US-Präsidente­n brannte kurz nach seiner Errichtung ab. Der Wiederaufb­au des heutigen Weißen Hauses begann im Jahr 1819
 ??  ?? „Wunderbare­r Arbeitspla­tz“: Helene von Damm war für Ronald Reagan (oben) drei Jahre im Weißen Haus tätig
„Wunderbare­r Arbeitspla­tz“: Helene von Damm war für Ronald Reagan (oben) drei Jahre im Weißen Haus tätig
 ??  ?? Brachten das Oval Office in die Schlagzeil­en: Clinton, Monica Lewinsky
Brachten das Oval Office in die Schlagzeil­en: Clinton, Monica Lewinsky
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Er ließ das erste „Weiße Haus“errichten: George Washington
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