„Wir bekamen keinen Cent. Null.“
Wie Familien mit fragwürdigen Berichten um Entschädigungen gebracht wurden
Die Zwillinge waren noch nicht geboren, als der Hubschrauber ihres Vaters Andreas Aigner zerschellte. Der 46jährige Salzburger starb kurz vor ihrer Geburt, als er mit einem Enstrom- Hubschrauber auf dem Rückweg vom noblen Steirereck am Pogusch war. Dass seine beiden Kinder und die Witwe bis heute keinen Cent Schadenersatz gesehen haben, dürften sie einem Sicherheitsbericht des Verkehrsministeriums verdanken, von dem sich in den vergangenen Tagen plötzlich und überraschend viele Beteiligte distanzieren.
Der tragische Todesfall ereignete sich im Mai 2014: Aigner startete mit zwei Gästen. Jane S. und Josef B. hatten den Flug über ein Reise- büro gebucht. Dieses bestellte bei der Firma Aerial-Helicopter in Niederösterreich einen Hubschrauber mit fünf Sitzplätzen. Ein normaler gewerblicher Flug, sollte man meinen. Denn das spielt eine wesentliche Rolle: Wenn der Pilot auf eigene Faust f liegt, haftet er – in anderen Fällen kann es etwa die Betreiberfirma, den Hersteller oder das Reisebüro treffen.
Sich selbst untersucht
Doch schon die Untersuchung des Wracks wirkt skandalös. Für das Verkehrsministerium reiste ein Unfallermittler zum Absturzort an, der zugleich als Stützpunktleiter bei Aerial-Helicopter arbeitet. Also genau bei jener Firma, deren Fluggerät gerade abgestürzt ist.
Erst vor Ort hätte er das bemerkt, heißt es nun im Bü- ro von Verkehrsminister Jörg Leichtfried. Er sei danach gleich von der Untersuchung abgezogen worden. Glaubt man anderen beteiligten Personen, dürfte das allerdings nicht der Wahrheit entsprechen. Denn den Unfallermittler wird bei der Alarmierung das Luftfahrzeug-Kennzeichen mitgeteilt. Dadurch wissen sie schon vorher, wem der Flieger gehört.
„Mir hat einer der ermittelnden Polizisten stolz erklärt, dass diese Person nachher noch einmal die Unfallstrecke abgeflogen sei – mit einem Aereal-Hubschrauber“, sagt Manfred Kunrath, der Schwiegervater des Piloten. Sogar Leopold Reidinger, Betreiber von Aerial-Helicopter, bestätigt, dass sein Mitarbeiter an der Untersuchung beteiligt war; so etwas sei „in Österreich so üblich“. Er betont aber, dass ein Pilotenfehler zu dem Absturz geführt habe. Aigner, der Fluglehrer und sein Freund war, habe zu wenig Sprit getankt: „Jetzt versucht man aber, mir das Ganze umzuhängen.“Reidinger meint, dass es sich um einen privaten und keinen gewerblichen Flug handelte.
Das bestätigt auch ein Gutachten des Sachverständigen Josef Reischl, das die Basis des Sicherheitsberichts darstellt. Doch diese Aussage sei nicht korrekt, sagt Reischl am Donnerstag überraschend zum KURIER. Es gebe neue Beweise, er sei gerade dabei, ein Ergänzungsgutachten zu schreiben, erklärt er. Diese hat er offenbar zufällig an jenem Tag erhalten, als der KURIER über das unterdrückte Dokument zum Absturz eines Polizeihubschraubers im Achensee berichtete. Beteiligter Gutachter auch dort: Josef Reischl.
„Schutzbehauptung“
Darüber hinaus gab es im Frühjahr eine vernichtende Stellungnahme der obersten Zivilluftfahrt-Behörde im Verkehrsministerium, die den Bericht der eigenen Kollegen regelrecht zerlegte. Die Darstellung, es habe sich um einen privaten Flug gehandelt, sei eine reine Schutzbehauptung, sagt die Behörde.
„Die Zwillinge haben bis heute keine Entschädigung bekommen“, sagt Schwiegervater Kunrath. „Die Familie hat nicht die finanziellen Möglichkeiten für einen langen Rechtsstreit“. Kunrath hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wels erstattet, passiert sei dort aber wenig, sagt er.
Fragwürdige FlugunfallBerichte sollen kein Einzelfall sein. Der KURIER sprach mit mehreren Opfern. Nicht alle wollten offiziell reden wie Kunrath – oder Doris Dore. Ihr Sohn Fabian starb bei einem „viel zu riskanten Manöver“, wie sie sagt, auf dem schwer anzufliegenden Flughafen Freistadt (OÖ). Fabian Dore sollte bei einem Prüfungsflug einen Motor-Ausfall simulieren. Doch das Luftfahrzeug zerschellte, der 20-jährige Tiroler starb.
Das war 2010. Sechs Jahre lang kämpfte Fabians Mutter, bis der Untersuchungsbericht (nach einer ORF- Sendung) veröffentlicht wurde. Sie musste fast 100.000 Euro für die Ausbildung ihres verunglückten Sohnes und für Begräbniskosten zahlen. Mittlerweile hat sie allerdings aufgegeben: „Wir bekamen keinen Cent. Null. Aber ich kann einfach nicht mehr.“