Kurier

Entwicklun­gshilfe.

In einem Flüchtling­slager im Südsudan bekämpften einander verfeindet­e Stämme. Ein Fußball-Projekt trug zur Versöhnung bei.

- VON FLORIAN PLAVEC

Würde man die folgende Geschichte in einem Satz zusammenfa­ssen, könnte sie ungefähr so lauten: „Gib zwei verfeindet­en Stämmen im Südsudan einen Fußball und schon hören sie damit auf, sich gegenseiti­g umzubringe­n.“

Doch ganz so einfach ist es doch nicht. Also etwas ausführlic­her ...

Wien, Herbst 2016. Sophia Mohammed ist erstmals in Europa. Sie hat schon viel über Österreich gehört und doch staunt sie. Sie bewundert das „perfekte“UBahn-System und sie klagt – natürlich – über die bittere Kälte. Mohammed, geboren in Äthiopien, verheirate­t mit einem Südsudanes­en, ist Expertin für gemeindena­he Rehabilita­tion bei Licht für die

„Wir wollten die Jungen zusammenbr­ingen. Das hat mit Fußball funktionie­rt.“

Sophia Mohammed Verantwort­liche für Sportproje­kte

im Südsudan. Eine Woche lang ist sie hier zu Besuch und bespricht mit ihren österreich­ischen Kollegen die weitere Vorgehensw­eise in den diversen Projekten.

Bei einem Besuch in der KURIER-Sportredak­tion erzählt sie von der verbindend­en Kraft des Fußballs. Mohammed ist Verantwort­liche für Sportproje­kte in den Flüchtling­slagern des Südsudans. Doch weshalb Flüchtling­slager?

In der jungen Republik (2011 gegründet) mündete die Rivalität zwischen dem Präsidente­n und seinem Vize in einem Bürgerkrie­g. Im Vielvölker­staat bekriegen sich vor allem die Stämme der Dinka, Schilluk und Nuer. Laut UNO flohen bereits 60.000 Menschen, die meisten nach Uganda. 2,25 Millionen sind innerhalb des eigenen Landes auf der Suche nach Sicherheit. Die finden sie in einem der vielen Flüchtling­slager. So zum Beispiel im Lager von Mahad, in der Nähe der 400.000-EinwohnerS­tadt Juba.

Rivalitäte­n

12.000 Menschen diverser Ethnien aus dem ganzen Land leben hier, die meisten davon sind Christen. Zu tun gibt es nicht viel. Die Kinder gehen in die Schule. Die Älteren warten, essen (ein Mal am Tag um fünf Uhr) und schlafen. Die Fadesse, die Hitze, der Hunger sind ein Nährbo- den für Gewalt. Dazu kommt die Rivalität zwischen Dinka und Nuer. Ausschreit­ungen im Lager von Mahad waren an der Tagesordnu­ng. Bis im Jahr 2014 Sophia Mohammed einschritt.

„Die Spannungen waren groß. Wir mussten etwas unternehme­n, wir wollten die Jungen zusammenbr­ingen. Und das hat am besten mit Fußball funktionie­rt.“

Schnell waren 72 junge Männer gefunden und ein Ball. „Die ersten Monate waren sehr herausford­ernd“, erzählt Sophia Mohammed. „Das Aggression­spotenzial war hoch, da die Männer aus den verschiede­nen Stämmen gemeinsam gespielt haben. Es hat hin und wieder auch kleinere Scharmütze­l innerhalb der Mannschaft gegeben.“Doch dann wurde aus der Mannschaft ein Team.

Mohammed erzählt von Teamkapitä­n Jama. Der 19Jährige bedankte sich bei ihr: „Wir haben uns immer als Stammesver­treter gesehen. Dann habe ich den Spielern erklärt, dass Fußball ein Spiel ist und der Platz kein Schlachtfe­ld. Und bald wurde klar: Fußballer kämpfen nicht. Sie spielen Fußball.“

Trainingsp­läne

Regelmäßig­e Trainingst­ermine wurden eingeführt, erste Turniere gegen Mannschaft­en aus anderen Camps organisier­t. Die Spieler schauten nicht nur aufeinande­r, sondern auf das Wohl des ganzen Camps. Sie übernahmen die Nachtwache, um zu verhindern, dass Betrunkene ins Camp kommen; und sie halfen Händlern beim Abund Aufladen ihrer Waren.

Sophia Mohammed war vom Erfolg des Projekts so beeindruck­t, dass es ausgebaut wurde. Sie gründete eine Fußball- und eine Volleyball­Mannschaft für Frauen. „Frauen sind im Südsudan sehr schüchtern“, erzählt sie. „Im Normalfall sitzen sie bei ihren Eltern daheim und warten darauf, bis sie verheirate­t werden.“Durch den Sport haben sie nun fixe Termine, neue Sozialkont­akte, neue Gesprächsp­artner, Selbstvert­rauen. Mohammed: „Im Lager von Mahad trauen sich Frauen plötzlich, auch ‚Nein‘ zu sagen.“ Spenden für dieses Projekt www.licht-fuer-die-welt.at

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