Ein Mode-Moment für die Ewigkeit
Das Kleid, in demsie „Happy Birthday“hauchte, wird versteigert – es erzählt eine traurige Geschichte
Der letzte große Auftritt Marilyn Monroes begann mit einem missglückten Witz. Peter Lawford, Schauspieler und Schwager von US-Präsident Kennedy, holte die notorisch unpünktliche Filmdiva mit den Worten „the late Marilyn Monroe“– wörtlich übersetzt „die verstorbene Marilyn Monroe“– auf die Bühne. Wie makaber seine Wortwahl war, sollte Lawford erst drei Monate später realisieren. Da war Monroe tot.
Die Blondine nahm den Scherz gelassen, lächelte, stellte sich an das Rednerpult und ließ die weiße Hermelin-Stola von ihren Schultern gleiten. Zum Vorschein kam eine hautfarbene, eng anliegende Glitzerrobe, die den Anschein erweckte, das Sexsymbol wäre nackt. Für einen Moment hielt das Publikum den Atem an – dann begann Marilyn zu singen.
Keine First Lady
15.000 Menschen waren an jenem Abend des 19. Mai 1962 in den Madison Square Garden gekommen, um den 45. Geburtstag von John F. Kennedy zu feiern. Unter den Gästen waren viele prominente Politiker und Künstler – nur eine fehlte: Jacqueli- ne Kennedy, die First Lady und Gattin des Jubilars. Das war wohl auch besser so, denn als Marilyn Monroe, selbst verheiratet mit Drehbuchautor Arthur Miller, auf der Bühne ihr laszives „Happy Birthday, Mr. President“anstimmte und sich beim mächtigsten Mann der Welt „für die Erinnerungen“bedankte, interpretierten das viele als endgültigen Beweis für die lange gemutmaßte Liaison.
Der Moment ging in die Geschichte ein – und mit ihm das Kleid, das Monroe, die meistfotografierte Frau ihrer Zeit, an diesem Abend trug. Designer Jean Louis, ein Franzose, der schon die Filmdiven Rita Hayworth und Marlene Dietrich angekleidet hatte, versah die Seidenrobe mit 2500 Strasssteinen und schneiderte sie seiner Klientin auf den Leib. Tatsächlich war das Kleid so eng, dass die Nähte erst kurz vor dem Auftritt im Madison Square Garden geschlossen wurden und das 1,66 Meter große Kurvenwunder nichts darunter tragen konnte.
1962 war die Robe 12.000 Dollar wert – 37 Jahre später, im Jahr 1999, wurde sie für 1,3 Millionen Dollar versteigert. In knapp zwei Wochen kommt das Kleid, das zuletzt in verschiedenen Museen ausgestellt war, erneut unter den Hammer – am 17. November dürfen Bewunderer und Sammler mit dem nötigen Kleingeld im Auktionshaus Julien’s Auctions in Los Angeles ihre Gebote abgeben.
Abgründe
So glanzvoll Monroes Auftritt an jenem Samstagabend in New York war, so trist sah es zu diesem Zeitpunkt in ihrem Inneren aus. Ihre drei Ehen waren ungewollt kinderlos geblieben, in ihren Filmen wurde die als Norma Jeane Baker geborene Monroe stets auf die Rolle des naiven Blondchens reduziert. Ihre Bemühungen, endlich als ernsthafte Schauspielerin wahrgenommen zu werden, scheiterten.
Monroe bekam Depressionen, trank zu viel Alkohol und wurde tablettenabhängig. In ihrem letzten Lebensjahr soll sie zwei Mal am Tag ihren Psychoanalytiker aufgesucht haben – doch auch er konnte den Filmstar nicht mehr retten. Am 5. August 1962, nur drei Monate nach ihrem legendären Geburtstagsständchen an den Präsidenten, wurde die 36-Jährige tot in ihrem Haus in Los Angeles aufgefunden. Die genauen Umstände sind bis heute ungeklärt – vermutlich hatte sie Selbstmord begangen.
Die hautfarbene Seidenrobe mit den Glitzersteinchen hält den Mythos Marilyn am Leben. Zwei bis drei Millionen Dollar erwartet sich das kalifornische Auktionshaus von der Versteigerung. „Dieses Kleid repräsentiert einen entscheidenden Moment in der Geschichte“, sagt Chef-Auktionär Martin Nolan. Er ist überzeugt: „Die Auktion wird die Welt daran erinnern, warum Marilyn Monroe für immer eine Ikone bleiben wird.“ Rekord-Roben Kurz vor ihrem Tod entschied sich
einige ihrer Kleider für wohltätige Zwecke versteigern zu lassen – darunter das mitternachtsblaue Samtkleid, in dem sie bei einem Staatsbankett mit John Travolta getanzt hatte. Die Robe brachte 100.000 Pfund. 2013 wurde sie erneut versteigert – und war einem anonymen Geschäftsmann 240.000 Pfund wert. Eines der teuersten Kleider, die je unter den Hammer kamen, ist das fliegende U-Bahn-SchachtKleid von aus dem Film „Das verflixte siebte Jahr“. Es brachte 2011 die Rekordsumme von 3,21 Millionen Euro. Nicht ganz so viel, aber immerhin 50.000 Dollar, zahlte ein Londoner Geschäftsmann 2012 für das Vintage-Dior-Kleid, in dem den Oscar gewonnen hatte.