Ein Leben für die britische Krone
Die Netflix-Serie widmet sich der menschlichen Seite der Royals – Machtkämpfe und Intrigen inklusive
Die Briten tanzen gerne aus der europäischen Reihe: Brexit, Linksverkehr, Meilen statt Kilometer, für die Steckdose braucht man als Festlandbewohner einen eigenen Adapter und dann noch das unantastbare Heiligtum – die Monarchie. Diese hatte zwar ihre Höhen und Tiefen, aber abschaffen kommt gar nicht erst infrage: God save the Queen! Denn was wäre ein Nachmittagstee ohne royalen Klatsch und Tratsch aus dem Buckingham Palace? Eben, nur halb so amüsant. Dass einem der Gesprächsstoff beim Smalltalk nicht ausgeht, dafür sorgt nun eine Serie über das britische Königshaus. Sie heißt „The Crown“, ist ein wunderbar opulentes Königinnendrama und eine der ambitioniertesten Eigenproduktionen des Online-Videodienstes Netf lix. Die erste Staffel mit insgesamt zehn Folgen ist seit Freitag abruf bar.
Verantwortung
Die Serie widmet sich mit bezaubernd schönen Aufnahmen und einer faszinierenden Detailverliebtheit den jungen Jahren der Königin, die von der britischen Schauspielerin Claire Foy verkörpert wird. Folge eins beginnt mit ihrer Hochzeit im Jahr 1947: An der Seite von Prinz Philip, gespielt von Matt Smith, schreitet sie vor den Traualtar. Der hierzulande noch eher unbekannten Schauspielerin Claire Foy war im Vorfeld bewusst, „welche Herausforderung und Verantwortung die Rolle als Queen mit sich bringen wird. Da setzt man sich gerne selber unter Druck, weil man alles richtig machen möchte“, sagt die 32-jährige Schauspielerin im KURIER-Interview. Herausfordernd sei die Rolle deshalb, weil die Queen aufgrund ihrer Biografie viele unterschiedliche Facetten hat: Ihr wurde nach dem frühen Tod ihres Vaters, König George VI., im Alter von 25 Jahren die Krone vermacht, zusammen mit der großen Bürde, die diese mit sich bringt. „Auf einen Schlag musste sie wichtige Entscheidungen treffen, aber auch gleichzeitig eine gute Mutter sein und an ihrer Ehe mit Philip arbeiten“, sagt Claire Foy.
Machtgefüge
Die Krone bringe solche Verpflichtungen mit sich und ändere das Machtgefüge so von Grund auf, „dass es eine unglaubliche Herausforderung für sie gewesen sein muss“, erklärt der Serienschöpfer Peter Morgan. Der in Wien lebende britische Autor ist für das Drehbuch zur Serie verantwortlich. Seine Geschichte basiert auf der akribischen Recherche eines achtköpfigen Teams, das zweieinhalb Jahre damit zubrachte, Archive, Biografien und Kabinettsprotokolle zu durchforsten, neben den Hunderten Gesprächen, die Morgan selbst im Laufe der Jahre mit Vertrauten des Königshauses führte. Erst danach erlaubte er sich, erdachte oder fiktive Momente in die Geschichte einfließen zu lassen. „Im Wesentlichen muss das, was wir tun, den realen Ereignissen treu bleiben“, so Morgan. „Aber bei den persönlichen und intimeren Momenten mussten wir zwangsläufig auf unsere Vorstellungskraft zurückgreifen. Und ich liebe es, die Wahrheit zu ändern. Aber man muss sehr genau überlegen, was man schreibt, man muss verantwortungsvoll damit umgehen.“
Dass das britische Königshaus nicht nur auf viele Menschen, sondern auch auf Autoren und Filmemacher eine faszinierende Wirkung hat, zeigt die lange Liste an Büchern, Dokus und Filmen. Zu den bekannteren zählen Cate Blanchetts „Elizabeth“, die Geschichte des stotternden Königs George VI. in „The King’s Speech“und „Die Queen“von Peter Morgan mit Helen Mirren in der Hauptrolle. „The Crown“ist aber mehr als eine weitere Geschichte über die berühmtesten Familie der Welt. Sie zeigt, warum Elizabeth Windsor zu dem geworden ist, was sie seit Jahren in der Öffentlichkeit verkörpert: Eine Institution, ein Symbol Großbritanniens, ein Fels in der oft stürmischen politischen Brandung. Einerseits. Andererseits widmet sich die Serie auch den Krisen der Nachkriegszeit und dem Zerfall des British Empire.
Downing Street
Während sich die junge Queen Elizabeth zwischen persönlichen Intrigen, Romanzen und politischen Rivalitäten aufreibt, hat der Premierminister Sir Winston Churchill (großartig: John Lithgow) in der Downing Street Nummer 10 alle Hände voll zu tun, um an der Macht zu bleiben. Das Verhältnis zwischen Churchill und der Königin ist dann auch ein zentrales Thema in den ersten Folgen. Churchills Rat an die royale Regentin: Zeige niemals die wahre Elizabeth Windsor in der Öffentlichkeit. Da sie sich stets daran gehalten hat, wird man wohl auch nie erfahren, ob sie über „The Crown“amused ist.