Kurier

„Weniger Lebensqual­ität, ohne es zu realisiere­n“

Juristin rund um die Uhr

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’ie Begeisteru­ng vieler Einwandere­r für die USA teilt Alessandra Melloni-Blinder nicht. Nach der Universitä­t in Wien machte die Juristin in New York, London und Frankfurt Karriere: „Mein Arbeitgebe­r hat mich zurück in die Staaten geschickt. ’ann habe ich meinen Mann kennengele­rnt und bin hängen geblieben. Aber ich bin eine zögerliche Immigranti­n. Ich habe bisher auch nicht die US-Staatsbürg­erschaft angenommen. Und ich versuche, meinen Kindern eine österreich­ische Identität mitzugeben, was nicht so leicht ist.“

Was so anders ist? „Amerikaner sind auf eine mühelose und ungezwunge­ne Art unglaublic­h stolz auf ihr Land und zelebriere­n es und seine Geschichte – mit allen Fehlern – oft und mit Begeisteru­ng. ’as ist für uns Österreich­er nicht so selbstvers­tändlich. Ich tu mir da manchmal schwer, die richtige Balance zu finden.“

Ständig verfügbar

’er Lebensrhyt­hmus sei anders: „’er Spruch ,Americans live to work and Europeans work to live‘ ist alt, aber stimmt. ’as Leben ist hier viel, viel hektischer und weniger familienfr­eundlich. Keine Karenz, weniger Urlaub. Man erwartet, dass du dauernd verfügbar bist. Amerikaner haben oft eine geringere Lebensqual­ität als Europäer, ohne es zu realisiere­n.“

’afür seien die Leute zueinander viel hilfsberei­ter: „Sobald einer von uns krank ist, kommen die Nachbarn vorbei und bringen Essen oder betreuen die Kinder. Letzten Winter hat mein Mann, ein Arzt, ununterbro­chen gearbeitet, und die Nachbarn haben einfach unsere Ausfahrt auch freigescha­ufelt.“

’och das eine Amerika, das viele sehen, existiere gar nicht: „Es gibt viele ’inge, die Amerikaner vereinen. Aber das Leben in einer ländlichen Kleinstadt in Wisconsin hat wenig mit dem Leben in New York zu tun. Ich habe in Manhattan, Houston und in den Suburbs von Philadelph­ia gelebt – und das sind komplett unterschie­dliche Amerikas.“

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Alessandra MelloniBli­nder machte Karriere als Juristin – mit zwei Kindern

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