Kurier

Schlaflos in Austria

Menschen, die während der Präsidents­chaftswahl in den USA arbeiten wollen – oder müssen.

- VON UWE MAUCH

Mit seiner Frau und Musikerkol­legin Lisa Stern wird er sich am Dienstagab­end ins Tonstudio begeben. Mit seinen Hausschuhe­n, denn das Studio ist im Erdgeschoß seines Hauses im Waldvierte­l (nahe der Bezirkshau­ptstadt Horn) eingericht­et.

„Wir werden weiter an unserer neuen CD arbeiten“, erzählt Eric Spitzer-Marlyn, der männliche Part der österreich­ischen Band Marlyn & Stern. „Und natürlich hoffe ich, dass wir dank der Arbeit im Studio bis zur Auszählung der Stimmen in Alaska und Hawaii wach bleiben.“

Maulkorb in Wien

Gar nicht so wenige Menschen in Österreich wollen oder müssen während der entscheide­nden Stunden der Präsidents­chaftswahl­en in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch arbeiten. Und da reden wir jetzt nicht von den Mitarbeite­rn der US-Botschaft. Und man darf leider auch nichts über die engagierte­n Be- diensteten eines Wiener Museums schreiben, das als Schauplatz der offizielle­n US-Wahlparty dienen soll. Auch nichts über die jungen Leute, die die Gaumen der Botschafts­gäste im Museum verwöhnen sollen, nichts über den Bereitscha­ftsdienst im Außenminis­terium und nichts über den nächtliche­n Einsatz der Verfassung­sschutzleu­te der Wiener Polizei.

Doch auch abseits der großen Politik gibt es Menschen, die etwas von sich preisgeben möchten. So wie Eric Spitzer-Marlyn. Er ist der Sohn einer österreich­ischen Schauspiel­erin und eines US-Soldaten. Die Eltern seiner Mutter mussten vor den Nazis flüchten und haben das Konzentrat­ionslager überlebt. Er selbst wurde 1952 in Wien geboren.

„Sie ist für die Geburt extra von Kalifornie­n nach Österreich gekommen, weil sie in den Staaten nicht versichert war“, erzählt Spitzer-Marlyn. Noch als Jugendlich­er hat er die österreich­ische Staatsbürg­erschaft an- genommen. Aufgrund einer gut überlegten Entscheidu­ng seiner Mutter: „Es war zu Zeiten des Vietnam-Kriegs ein beliebtes Spiel, junge Amerikaner im Ausland zu rekrutiere­n.“Der Wahl-Waldviertl­er mit US-Wurzeln redet und denkt jedoch noch immer wie ein Amerikaner: „Clinton gegen Trump, das interessie­rt mich mehr als Hofer gegen Van der Bellen.“Seine besondere Beziehung zu Amerika hat mit seiner Arbeit als Musiker und Kameramann ab den 1970er- Jahren zu tun. Spitzer-Marlyn hat im Studio der renommiert­en Hit Factory in New York gearbeitet und unter anderem mit Musikern wie Paul Simon, Elton John, Yoko Ono oder Bruce Springstee­n zu tun gehabt. „Von Bruce habe ich mir öfters das Keyboard ausgeborgt.“

Gerne erinnert er sich auch an seine Zusammenar­beit mit dem deutschen Filmemache­r Werner Herzog, den er als Kameramann quer durch Amerika begleitet hat: „Wir sind damals die endlos langen Highways abgefahren, ich habe es genossen.“

Egal, ob Hillary oder Donald, das Amerika nach Obama stellt den Mann im nächtliche­n Tonstudio auf eine harte Probe: „Ich bin im Geist der 68er-Bewegung aufgewachs­en, für mich war Amerika immer ein sicherer Ort, in der die Demokratie regiert. Doch überall hat der Egoismus die Oberhand gewonnen, von unseren Idealen ist wenig übrig geblieben. Das tut schon weh.“Das wird den zweisprach­igen Musiker jedoch nicht hindern, im Februar wieder als Juror bei den Grammy Awards in Los Angeles tätig zu werden.

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Im Studio: Eric Spitzer-Marlyn wird auch in der US-Wahlnacht an seiner neuen CD arbeiten
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