Was droht, wenn...
CLINTON ODER TRUMP
Präsidenten-Wahl. Am Dienstag wählt Amerika, in einem Monat Österreich. Der KURIER-Report: Was Van der Bellen und Hofer über das Land von Clinton und Trump denken. Wie sich die Wahlkampagnen gleichen – und voneinander unterscheiden.
Brexit-Trump-Hofer: Nach den US-Wahlen steht Österreich im Fokus
Das Feuerzeug war gestern. Angesagt sind in den Wahlkämpfen dies- und jenseits des Atlantik Püppchen, T-Shirts, Kaffeehäferln, Gesichtsmasken.
Aber nicht nur die Gimmicks gleichen einander, auch Wahlkampfmethoden werden in Europa aus den USA übernommen. „Es steckt mehr Amerika im Präsidentschafts-Wahlkampf, als man glaubt“, sagt Lothar Lockl, Kampagnenleiter von Alexander Van der Bellen.
So hat Lockl beispielsweise das Schneeballsystem aus der Obama-Wahlbewegung zum Vorbild genommen. „Wir haben keine zentral gesteuerte Wahlkampagne mit großem Apparat, sondern Mitmachplattformen, wo sich Freiwillige engagieren können“, sagt Lockl. Hunderte Leute hätten sich gemeldet, die, ohne einen Cent dafür zu bekommen, in der Kampagne mitarbeiten: Sie schnüren Mitmachpakete mit Wahlkampfmaterialien für andere freiwillige Helfer, sie machen Telefondienst und verteilen Gimmicks. Junge Leute veranstalten Konzerte, auf denen sie für Van der Bellen werben, andere machen Fundraising-Partys mit Versteigerungen, deren Erlös in die VdB-Kampagne fließt.
Abgeschaut hat Lockl von Obamas Wahlkampf auch die positive Grundausrichtung der Kampagne. „Im Gegensatz zur FPÖ machen wir eine optimistische, zuversichtliche und positive Kampagne“, sagt Lockl. Augenfällig sind die Parallelen zwischen Donald Trump und der FPÖ: Beide Kampagnen polarisieren in Sprache und Inhalt, beide setzen auf Stimmungsmache gegen Zuwanderer, schüren Ängste vor Überfremdung, Arbeitsplatzverlust und Kriminalität. Fakten und Wahrheiten bleiben dabei oft auf der Strecke, im Vordergrund steht, den Wählern ein Gefühl des Bedrohtseins zu vermitteln.
Diese neue Art populistischer Demagogie hat beim Brexit-Votum der Briten erstmals in einem westlichen Land über die Rationalität gesiegt. Für viele Beobachter weltweit sind die Wahlen in den USA und in Österreich – so ungleichgewichtig die beiden Länder sein mögen – Testfälle, ob sich der britische Kurzschluss zur Serie entwickelt oder ob er doch eine warnende Wirkung entfaltet. Lockl: „Das Ergebnis am 4. Dezember 2016 wird das Bild Österreichs auf Jahrzehnte prägen.“ Kann das Ergebnis der US-Wahlen den österreichischen Wahlkampf beeinflussen? „Wenn Trump seine Niederlage nicht anerkennt und die Grundlage der Demokratie infrage stellt, dann schon“, meint Lockl. Das würde daran erinnern, dass auch Hofer und die FPÖ ihre Niederlage nicht akzeptierten, zum Höchstgericht gingen und danach auch noch den Briefwählern am Parlament vorbei das Wahlrecht wegnehmen wollten. Die US-Politik hat auch gravierende Unterschiede zu Europa. Um nur einen zu nennen: In den USA wird die Politik immer mehr von Familienclans beherrscht, was berechtigte Zweifel an der Durchlässigkeit des Systems aufkommen lässt. Angefangen von den legendären Kennedys über die Bushs und Clintons bringt sich nun schon die nächste Generation an Trumps, Clintons und Obamas in Stellung: Donald Trump junior, Ivanka Trump, Chelsea Clinton und Michelle Obama werden bereits Politik-Karrieren prophezeit. So schließt Donald Trump junior (38) eine spätere Kandidatur für das Weiße Haus explizit nicht aus, sobald seine Kinder dem Schulalter entwachsen sind. Michelle Obama beeindruckt die Demokraten mit ihren kraftvollen Reden. Sie wird auch bei der Abschlussveranstaltung in Philadelphia für Hillary Clinton werben. In Europa sind politisierende Paare und Familien – noch? – die Ausnahme. So war Marie Segolene Royal 2007 sozialistische Präsidentschaftskandidatin, bevor es fünf Jahre später ihr damaliger Lebensgefährte Francois Hollande wurde. In Österreich ist lediglich die Wiener SPÖ für ein Netzwerk aus persönlichen Beziehungen bekannt.