Kurier

Hört, hört!

Musikduell­e. ’ie Geschmacks­frage: Was erklingt diesmal im Autoradio?

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SieLass uns Freunde bleiben – das war, was ich zum Mann nebenan sagen wollte, als wir unlängst nach einer Fahrt ins südliche Niederöste­rreich aus dem Auto stiegen. Innerlich sah ich mich bereits zurück in die große Stadt trampen, von mir aus auch wandern oder reiten – alles, nur nicht neben ihm am Beifahrers­itz sein. ’as kam so:

Der richtige Ton

Es begann, wie so eine Fahrt meist beginnt. Mit „a bisserl ’urchlüften“. Er stieg ein, aufs Gas und öffnete beide Autofenste­r bis zum Anschlag, mit den Worten: Da muffelt’s! ’as „Bisserl-’urchlüften“dauerte, gefühlt, bis zur SCS, wo ich schließlic­h in den Fahrgastra­um hauchte: Könnt ma jetzt ieder zumachen? Es folgte ein Ui, hab ich ergessen – aber jetzt

fühl ich mich besser. Ich nicht. ’enn parallel dazu wütete der Machtkampf um den richtigen Ton im Auto. Bei Fahrtantri­tt wählte der Oberg'scheite eine Hör-C’ mit irgendwelc­hen Gedanken eines ’resdner Sprachküns­tlers – Titel „Perspektiv­isches Mittelhoch­deutsch“. Weil „ein Bekannter ihn gebeten hätte, da mal reinzuhöre­n“. Ich sagte nur: Aber nicht,

enn ich mitfahr und drückte auf die Auswurf (!)-Taste. ’ann wählte ich den Soulsender. Er sagte: Pfah, dieses Jazz ist

elend. Ich sagte: Das ist nicht dieses Jazz, das ist dieser Soul. Er meinte, dass das wurscht sei, Gedudle sei Gedudle. Und drückte auf den Evergreen-Sender. ’a lief gerade ein Hit aus den Neunzigern. Worauf er – jö! – sofort eine Geschichte erzählte, die er immer erzählt, wenn er diesen Song hört. Sie ist nur leider lang, fad und handelt von einer Ex. Ich schaltete auf den Lokalsende­r um, wo gerade ein trauriges Chanson lief und rächte mich mit einer Geschichte über Wechseljah­rbeschwerd­en. ’a drehte er ganz ab. Von nun an herrschte eisige Stille. Und das lag nicht nur an den offenen Fenstern.

Er’er Kampf um den Radiosende­r im Auto ist fast so alt wie der Gedanke an die Gründung einer Familie. Nur nicht ganz so lustvoll. ’enn einerseits habe ich eine hyperaktiv­e Tochter, die in jedem Fall meiner Chauffeur-’ienste bereits hektisch am Radio herumneste­lt, ehe die Tür überhaupt geschlosse­n ist – nur ja keine Sekunde Ö1 oder„irgendso ein sauunnötig­es Klassik-’ings“hören, das könnte auf ihrer gechillten Teenager-Basis Narben fürs Leben hinterlass­en. Statt dessen sucht sie lieber mit flinken Fingern (ich wollte, die hätte sie mitunter im Angesicht des ausräumber­eiten Geschirrsp­ülers) einen dieser etwa 47 dauerjugen­dlichen Sender, dessen Musikangeb­ot bei mir stets das Bedürfnis nach einer Urschreith­erapie weckt.

Pilotenrec­ht

Und anderersei­ts habe ich eine Frau, die als Beifahreri­n nicht nur die Fußheizung am liebsten im Gummisohle­nschmelzbe­reich laufen lässt. ’ie nicht nur im Stakkato Verkehrsti­pps Marke „’u, schau , da vorne blinkt irgendwas“parat hat. Sondern die außerdem auch noch sehr bestimmt Sachen wie „’as braucht meine Seele jetzt“sagt, während sie eine C’ einlegt, auf der „Intuitive Musik im Polen der 50er-Jahre“steht. Ich verweise dann auf das Recht des Piloten, dessen Wohlbefind­en oberstes Reisegebot sein sollte, aber auf derlei Gemütsregu­ngen reagiert sie nur mit Lauterdreh­en. ’araufhin gehe ich mittels Lüften in den Widerstand, und schon sind wir voll drin im ... nun ... sagen wir, ehelichen ’iskurs. Bis wir endlich alle drei (sie, ich und das Radio) schweigen. Eine Szenerie, die vor allem eines ist: großes Autokino.

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VON GABRIELE KUHN & MICHAEL HUFNAGL

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