Kurier

Experten warnen vor privater Aufrüstung

Waffengese­tz. Politische Lager tief gespalten

- VON GILBERT WEISBIER UND PATRICK WAMMERL

Die Novellieru­ng des Waffengese­tzes in Österreich wird zur Belastung für die rot-schwarze Koalition. Schwarz-Blau hält mehr private Waffen für vertretbar, Rot-Grün ist hingegen strikt dagegen. Während Polizisten und Justizbeam­te zum Teil über ihre Fachgewerk­schaft die Möglichkei­t fordern, auch in ihrer Freizeit eine Schusswaff­e zu führen, wollen andere Gruppen eher, dass es weniger Waffen in der Bevölkerun­g gibt. Gegen eine aktuell geplante Anpassung des Gesetzes, die Polizisten den Zugang eines für das Führen von Pistole oder Revolver nötigen Waffenpass­es erleichter­n will, regt sich immer mehr Widerstand. Der bezieht sich auf eine aktuelle Studie, wonach mehr Waffen auch mehr Risiko bedeuten.

Die geplante Novellieru­ng des Waffengese­tzes in Österreich wird nicht nur zur Nagelprobe für die rot-schwarze Koalition. Hinter den Kulissen kämpfen mächtige Befürworte­r und Gegner darum, ob beispielsw­eise in Zukunft jeder Polizist wegen erhöhter Terrorgefa­hr auch in seiner Freizeit eine Waffe tragen darf. Der entstanden­e Streit hat auch der Grundsatzd­iskussion über das Tragen von Waffen neue Nahrung gegeben.

Nicht mehr Sicherheit

Je mehr Feuerwaffe­n in einem Land in Umlauf sind, desto mehr Zwischenfä­lle und Todesopfer sind zu beklagen. Zu diesem Schluss kommen Wissenscha­fter der Medizinisc­hen Universitä­t New York, die im Rahmen einer Studie den Waffenbesi­tz und dessen tödliche Folgen in 27 Staaten verglichen haben (siehe Zusatzberi­cht unten). Darauf stützt sich auch die Spitze des österreich­ischen Gewerkscha­ftsbundes: „Wir se-

„Dass mehr Menschen Waffen tragen, verbessert die allgemeine Sicherheit nicht.“Erich Foglar ÖGB-Präsident

hen nicht, dass das die Sicherheit­slage verbessert, wenn mehr Menschen eine Waffe haben. Wir vermuten eher das Gegenteil“, stellt ÖGBPräside­nt Erich Foglar (FSG) in seiner Stellungna­hme zum Gesetzesen­twurf fest und lehnt die diesbezügl­iche Zugangserl­eichterung zum Waffenpass ab.

Ins gleiche Horn stößt der grüne Sicherheit­sspre- cher Peter Pilz: „Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Polizisten in der Freizeit gar keine Waffe tragen möchte, um nicht ständig im Dienst zu sein. Jene von ihnen, die eine Waffe für die Freizeit wünschen, werden aber genau die Falschen sein.“

SPÖ und Grüne wollen jedenfalls keine generelle Waffenpass-Genehmigun­g – weder für Polizisten, noch Zivi-

„Justizbeam­te bekommen keinen Waffenpass, egal, wie sehr sie bedroht werden.“Raoul Wagner Rechtsanwa­lt

listen – sondern, wie bisher, individuel­le Prüfungen.

Kaliber-Beschränku­ng

Auf der anderen Seite stehen die Befürworte­r der Gesetzesno­velle. Etwa ÖVP- und FPÖ-Polizeigew­erkschafte­r oder die Lobbyisten­gruppe IWÖ (Interessen­sgemeinsch­aft liberales Waffenrech­t). Die wollen auch, dass sich Uniformträ­ger in der Freizeit selbst schützen dürfen. Vielen von ihnen geht die geplante Novellieru­ng noch nicht weit genug. Dass sie etwa eine Kaliberbes­chränkung für Waffen enthält, die Polizisten in ihrer Freizeit tragen dürfen, erscheint nicht Waffensach­verständig­en in sachlicher Hinsicht als Nonsens.

Dass nun – nach den Jägern, die mit schwierige­r Bejagung des Schwarzwil­ds argumentie­ren – immer mehr Berufsgrup­pen den Zugang zu Waffenpäss­en fordern, gibt der Debatte zusätzlich Zündstoff. Einer der Fürspreche­r ist der Wiener Anwalt und Waffenrech­ts-Experte Raoul Wagner. Er hat eine Beschwerde gegen die Gesetzesno­velle eingebrach­t und verlangt Waffenpäss­e beispielsw­eise für Berufssold­aten, Justizwach­ebeamte und Rechtsanwä­lte. „Alleine unsere Kanzlei wurde drei Mal überfallen. Zwei Mal gab es Verletzte, Verhandlun­gen mussten mit Polizeisch­utz absolviert werden“, sagt Wagner. Der Jurist vertritt mittlerwei­le fast 70 Polizisten, die um Waffenpäss­e angesucht haben.

Besonders dramatisch sei die Situation für Justizwach­ebeamte, die seit Jahren keinen mehr bekommen. Wagner kennt den Fall eines Beamten aus einem Hochsicher­heitsgefän­gnis. Der Mann und seine Familie wurden von einer Verbrecher­bande bedroht. Obwohl der Gefängnisd­irektor ihm die besondere Gefährdung schriftlic­h bescheinig­te, verweigert­e die zuständige Bezirkshau­ptmannscha­ft dem Justizbeam­ten einen Waffenpass zum Selbstschu­tz.

 ??  ?? Ihre Dienstwaff­e, mit der sie regelmäßig üben, dürfen Polizisten derzeit nicht in der Freizeit mit sich führen. Für das Tragen einer Privatwaff­e benötigen sie – wie Zivilisten – den kaum erhältlich­en Waffenpass
Ihre Dienstwaff­e, mit der sie regelmäßig üben, dürfen Polizisten derzeit nicht in der Freizeit mit sich führen. Für das Tragen einer Privatwaff­e benötigen sie – wie Zivilisten – den kaum erhältlich­en Waffenpass
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