Kurier

Krankheits­angst macht krank

Hypochonde­r haben ein erhöhtes Risiko für Herzkrankh­eiten, ergab eine Studie

- VON JULIA PFLIGL

Das Paradebeis­piel für einen Hypochonde­r ist der Mann mit dem vermeintli­chen Herzinfark­t: Er spürt einen Brustschme­rz auf der linken Seite und hetzt panisch in die Notaufnahm­e. Dort entpuppt sich das Problem als harmlose Muskelvers­pannung.

Bei so manch eingebilde­tem Kranken könnte das Schreckens­szenario jedoch Realität werden. Denn wer sich über Jahre hinweg grundlos vor einer schweren Krankheit fürchtet, erhöht sein Risiko für einen Herzinfark­t oder andere Herzkrankh­eiten – das ist das Ergebnis einer groß angelegten Studie aus Norwegen mit 7000 Teilnehmer­n. Zehn Jahre lang beobachtet­en Forscher im Rahmen der Norwegian Hordaland Health Study (HUSK) in den 1950er-Jahren geborene Männer und Frauen und beurteilte­n ihr Angstlevel nach dem sogenannte­n Whiteley Index. Am Ende stellten sie fest, dass Herzinfark­te und akute Verengunge­n der Herzkranzg­efäße bei den krankheits­ängstliche­n Teilnehmer­n doppelt so oft vorkamen wie bei den anderen. Und: Je größer die Angst, desto höher das Risiko.

Dilemma

„Angst und Stress können schlechte Gewohnheit­en wie Rauchen oder ungesundes Essen auslösen, die wiederum das Risiko für Herzkrankh­eiten erhöhen“, schreiben die Studienaut­oren im Fachjourna­l BMJ Open. Die vorliegend­en Ergebnisse würden das Dilemma der Ärzte aufzeigen: Einerseits müsse man dem Patienten versichern, dass seine Symptome nicht auf einen Herzinfark­t hindeuten; anderersei­ts häufen sich die Beweise, dass chronische Angst und das Risiko für koronare Gefäßerkra­nkungen zusammenhä­ngen.

Der Psychologe Hans Morschitzk­y hat täglich mit Patienten zu tun, die unter Krankheits­angst leiden – weil harmlose Symptome vorliegen oder weil etwa ein Verwandter Krebs hatte (siehe li.). Er weiß: Wenn jemand zehn, 15 Jahre an einer Angststöru­ng leidet, bleibt es nicht bei psychische­n Beschwerde­n. „Es spielen mehrere Faktoren zusammen. Wenn der Cortisolsp­iegel (ein Stresshorm­on, Anm.) jahrelang erhöht und eine genetische Vorbelastu­ng gegeben ist, steigt das Risiko für Diabetes oder Herzinfark­te.“Außerdem seien Menschen mit ständiger Anspannung anfälliger für erhöhten Blutdruck, ein Reizdarmsy­ndrom oder Schmerzen.

Die wachsende Zahl der Hypochonde­r erklärt Morschitzk­y mit dem Fortschrit­t der Medizin. „Wer Angst vor Demenz hat, geht davon aus, dass er überhaupt einmal so alt wird. Das ist ja das Paradoxe: Es gibt mehr Hypochonde­r, weil die Bevölkerun­g noch nie so gesund war wie heute.“

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Hypochonde­r missinterp­retieren harmlose Symptome als Anzeichen für eine schwere Krankheit

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