Kurier

Lebensgesc­hichte auf zwei Seiten

Frankreich. Reaktion auf Kurier-Story – Ilse Weiszfeld, 112, wundert sich über Cover mit Eiffelturm

- AUS PARIS DANNY LEDER

Verwundert und mit Freude hat Ilse Weiszfeld, die älteste Pariserin, über sich im KURIER gelesen.

Ilse Weiszfeld ist nicht nur die älteste Pariserin, sondern vermutlich auch die älteste KURIER-Leserin. Wie der KURIER berichtete, feierte Ilse, die in Wien aufwuchs, soeben ihren 112. Geburtstag in einem Pariser Seniorenhe­im. Ihre Tochter, Monique, auch schon 80, brachte ihr jetzt den KURIER.

„Meine Mutter schaute sich den Artikel stundenlan­g an“, berichtet Monique, die sich mit ihrer Mutter immer noch auf Wienerisch unterhält: „Aber dass ihre Lebensgesc­hichte in der Zeitung stand, schien sie gar nicht so zu beeindruck­en. Ihr Augenmerk galt den alten Familienfo­tos, die der KURIER veröffentl­icht hatte.“

So löste das Foto ihrer Hochzeit mit ihrem Mann, Fritz, im Wiener jüdischen Tempel 1928, uralte Erinnerung­en aus: „Das war ein sehr schönes Blumen-Arrangemen­t“, sagte Ilse. Zu einem Foto mit ihrer Schwester meinte sie: „Wir haben uns ähnlich geschaut“und „Das ist ja das Kleid mit den Fransen“. Das KURIER-Titelblatt mit einem Foto von ihr und ei- nem vom Eiffelturm entlockte ihr die Frage: „Wieso haben die den Eiffelturm neben mich gestellt?“

Ilse und Fritz Weiszfeld waren 1932 nach Paris ausge- wandert. Das jüdische Paar konnte engste Verwandte, noch rechtzeiti­g vor dem„Anschluss“, nach Paris nachholen. Auch die Besetzung Frankreich­s konnte die Familie versteckt bei Lyon und in den Alpen überleben.

Schon vor dem Krieg hatten Ilse und Fritz in Paris eine Textil-Werkstatt gegründet, die mit einer Wiener Sti- ckerei-Technik, die in Frankreich noch nicht geläufig war, Erfolg hatte. Nach dem Krieg machte ihr Pariser Betrieb Furore dank der Geschickli­chkeit von Fritz Weiszfeld, der die Maschinen auf neue Produktion­smethoden einzustell­en verstand.

Bei den Eltern von Ilse – ihre Mutter hatte in Wien einen Stand am Naschmarkt betrie- ben, der Vater einen Spirituose­nverkauf für Kutscher in Schönbrunn – gab es noch nach dem Krieg in Paris Abende mit Wiener Liedern. Von ihren Kindern, Enkeln, Urenkeln und Pflegerinn­en im Seniorenhe­im wird Ilse „Mutti“genannt. Als Folge des Berichts im KURIER trat die österreich­ische Botschaft in Paris mit der Familie in Kontakt.

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Ilse Weiszfeld liest über ihr langes Leben im KURIER – die Fotos wecken bei ihr uralte Erinnerung­en
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