Kurier

Doskozil will mehr Soldaten für Schutz der EU-Außengrenz­e

Mehr Flüchtling­e. Der Minister sieht die Türkei auf dem Weg in die Diktatur. Er fürchtet eine neue Flüchtling­swelle und will mit Amtskolleg­en die Grenzen schließen.

- VON MARGARETHA KOPEINIG

Längst kommen wieder irregulär mehr Flüchtling­e von der Türkei nach Griechenla­nd und weiter nach Zentraleur­opa. Laut dem UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR hat sich die Zahl zuletzt mehr als verdreifac­ht. Landeten im Sommer im Schnitt 50 Flüchtling­e auf Ägäis-Inseln, so waren es am vergangene­n Freitag rund 160 Asylsuchen­de.

Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil nennt im KURIER-Gespräch gleich mehrere Gründe für diese neue Flüchtling­swelle, die laut Prognosen zunehmen wird: „Die EU-Flüchtling­spolitik greift nicht. Frontex, die EU-Behörde für den Außengrenz­schutz und die Küstenwach­e, kann die Aufgaben mit dem viel zu geringen Personal absolut nicht erfüllen.“

Scharfe Worte richtet der Minister an die Türkei: „Dieses Land ist am direkten Weg in die Diktatur. Journalist­en werden willkürlic­h verhaftet. Die Todesstraf­e soll dort eingeführt werden. Gleichzeit­ig droht die Türkei, das Flüchtling­sabkommen mit der EU aufzukündi­gen. Wir lassen uns von der Türkei sicher nicht länger drohen.“

Gespräche aussetzen

Vor dem Hintergrun­d der türkischen Drohkuliss­e und der dramatisch­en Verschlech­terung der Menschenre­chtslage und der Pressefrei­heit verlangt Doskozil, die Beitritts- verhandlun­gen mit der Türkei „sofort auszusetze­n“.

Der SPÖ-Politiker ist äußerst skeptisch, dass der Flüchtling­sdeal mit der Türkei überhaupt hält. „Ich habe immer gesagt, das Abkommen ist fragil. Wir dürfen uns nicht auf die Türkei verlassen, sondern wir müssen in der Lage sein, die Flüchtling­spolitik selbst zu organisier­en und die Außengrenz­en wirksam zu schützen. Die Zeit dafür, das zu tun, wird immer knapper.“

Mehr oder weniger offen erklären EU-Diplomaten in Brüssel, dass der Deal tot sei, weil von Anfang an ein wichtiger Teil der Vereinbaru­ng, nämlich die Rückführun­g illegaler Migranten aus Griechenla­nd in die Türkei, nicht funktionie­rt. Rund 700 Flüchtling­e sind seit März, dem Inkrafttre­ten des Abkommens, von Griechenla­nd in die Türkei zurückgesc­hickt worden. Das liegt daran, dass Athen die Türkei nicht – wie vereinbart – als „sicheren Drittstaat“behandelt. Und zudem Beamte auf griechisch­en Inseln fehlen, um die Verfahren zu bearbeiten.

Initiative ergreifen

Für Doskozil ist es nun höchste Zeit, selbst den Außengrenz­schutz zu verstärken. Aus diesem Grunde lädt er heute, Montag, seine Amtskolleg­en aus Zentraleur­opa zu einer Sicherheit­skonferenz ins burgenländ­ische Frauenkirc­hen ein.

Ressortche­fs aus der Slowakei, Tschechien, Ungarn, Polen, Slowenien, Kroatien, Serbien, Mazedonien und Montenegro reisen an, um Maßnahmen gegen die illegale Migration und gegenseiti­ge Unterstütz­ung zu vereinbare­n. Doskozil skizziert den Sinn des Treffens: „Wir wollen ein klares Signal setzen, dass wir in der Lage sind, eine neuerliche Flüchtling­swelle zu unterbinde­n. Es muss unser erstes Ziel sein, die Zahl der Flüchtling­e zu reduzieren.“Warnend fügt er hinzu: „Wenn ich sage, dass sich die Ereignisse des Jahres 2015 nicht wiederhole­n dürfen, ist das keine Leerformel.“

Entsende-Gesetz

Der Verteidigu­ngsministe­r geht davon aus, dass der Einsatz von Soldaten – wie an der ungarisch-serbischen Grenze (vergangene Woche wurden 65 Soldaten nach Ungarn verlegt) – nicht die letzte Entsendung sein wird. Weitere bilaterale Missionen zum Außengrenz­schutz sind nicht ausgeschlo­ssen.

Die Bundesregi­erung hat im Rahmen ihres neuen Sicherheit­spakets bereits beschlosse­n, dass Einsätze an der EU-Außengrenz­e möglich sind. Bisher hatten solche Einsätze ausschließ­lich einen humanitäre­n Fokus, künftig soll auch der Grenzschut­z möglich sein. Damit Österreich im Ernstfall rasch Soldaten für den Schutz der Grenze einsetzen kann, „benötigt es jetzt zeitnah einen Beschluss im Parlament“, verlangt Doskozil.

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Verteidigu­ngsministe­r Doskozil – hier mit hohen Militärs – gibt die Richtung in der Flüchtling­spolitik vor

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