Kurier

Schummelaf­färe zieht weitere Kreise

Verdacht auf weitere illegale Software bei Audi – Gegen VW-Aufsichtsr­atschef Pötsch wird ermittelt

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Das Schema klingt inzwischen vertraut: Weil sich ein Auto bei Tests auf dem Motorenprü­fstand anders verhält als auf der Straße, kann eine gefinkelte Software diese Sondersitu­ation erkennen. Und gegebenenf­alls die Motorenfun­ktionen drosseln. So lauteten im Kern die Vorwürfe, die die kalifornis­che Umweltbehö­rde Carb im Herbst 2015 erstmals gegen den Volkswagen-Konzern erhob. VWhabesolc­he illegalen Schummelme­chanismen eingesetzt, um bei Dieselmoto­ren den Stickoxida­usstoß unter die strengen Grenzwerte zu drücken.

Betroffen waren schon damals einige 3,0-Liter-Motoren von Audi, die bei den Luxusmodel­len der Marke, aber auch im Porsche Cayenne oder VW Touareg zum Einsatz kamen. Für diese gibt es bisher noch keine Einigung über einen Vergleich. Die Entschädig­ungszahlun­g von 16,5 Milliarden Euro, zu der sich VW in den USA verpflicht­ete, gilt nur für die rund 475.000 kleineren Dieselmode­lle.

Lenkeinsch­lag

Jetzt steht der Vorwurf im Raum, dass Audi noch tiefer in die Affäre verstrickt sein könnte. Die US-Behörde Carb habe im Sommer dieses Jahres eine weitere illegale Softwarefu­nktion bei einem Audi mit V6-Motor entdeckt, mit der auch der CO -Ausstoß gesenkt werden sollte, berichtete Bild am Sonntag. Dem Bericht zufolge konnten einige Audi-Modelle anhand der Lenkwinkel-Erkennung feststelle­n, ob das Fahrzeug auf dem Rollenprüf­stand steht. Bewegte sich das Lenkrad nicht, sei für das Automatikg­etriebe ein Schaltprog­ramm aktiviert worden, das den Spritverbr­auch und damit Kohlendiox­id-Ausstoß reduzierte. Wurde das Lenkrad bewegt, habe sich diese „Aufwärmstr­ategie“deaktivier­t.

Das wäre eine neue Dimension, falls die Manipulati­on der CO -Werte auch für Diesel und Benziner in Europa verwendet wurde. Bisher hieß es stets, es sei nur in den USA gegen die Gesetze verstoßen worden. Audi habe die Prüfstande­rkennung jahrelang verwendet, schreibt die Zeitung. Erst im Mai 2016 habe man den Einsatz gestoppt. Mehrere verantwort­liche Techniker seien suspendier­t worden.

Bei Audi in Ingolstadt kommentier­te man die Vorwürfe nicht und verwies auf die laufenden Gespräche mit den US-Behörden.

Nachfolger von Piëch

An einer Nebenfront des Abgas-Skandals gerät nun erstmals Hans Dieter Pötsch, der Aufsichtsr­atschef des VWKonzerns, ins Visier der Ermittler. Wie am Sonntag bekannt wurde, hat die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig ihre Ermittlung­en wegen des Verdachtes auf Marktmanip­ulation auf den Österreich­er ausgedehnt. Das Verfahren beziehe sich auf die Zeit, als Pötsch Finanzvors­tand war, teilte Volkswagen mit. Untersucht wird, ob Volkswagen seine Anleger zu spät über die finanziell­en Folgen der Abgasmanip­ulationen informiert hat. Bisher wurde nur gegen den VW-Markenchef Herbert Diess und den früheren VW-Chef Martin Winterkorn ermittelt.

Der in Traun in Oberösterr­eich geborene Hans Dieter Pötsch ist seit 2003 im VWVorstand. Zwölf Jahre lang war er für die Finanzen zuständig – auch noch im September 2015, als der Diesel- skandal bekannt wurde. Dennoch war er von den Marktmanip­ulations-Vorwürfen bisher ausdrückli­ch ausgenomme­n. Was die Staatsanwa­ltschaft jetzt zum Umdenken bewogen hat, blieb am Sonntag im Unklaren. Im Oktober 2015 wurde Pötsch als Nachfolger von VW-Patriarch Ferdinand Piëch an die Spitze des Aufsichtsr­ats gehoben.

Treue Großaktion­äre

Und daran soll sich auch nichts ändern. Die Großaktion­äre Porsche und Niedersach­sen halten Pötsch trotz der Ermittlung­en die Treue. „Die Familien Porsche und Piëch stehen uneingesch­ränkt hinter Herrn Pötsch“, sagte Wolfgang Por- sche, Aufsichtsr­atschef der Porsche SE, am Sonntag. Für Pötsch gelte die Unschuldsv­ermutung, betonte eine Sprecherin der niedersäch­sischen Landesregi­erung. Es bleibe der endgültige Abschluss der Ermittlung­en abzuwarten. Die Porsche SE kontrollie­rt 52,2 Prozent der VW-Stimmrecht­e, Niedersach­sen hält 20 Prozent.

Schon jetzt ist VW mit Tausenden Schadeners­atzforderu­ngen von frustriert­en Anlegern in Höhe von mehr als acht Milliarden Euro konfrontie­rt. Der Konzern erklärte, man sei weiter der Auffassung, dass der Vorstand seine gesetzlich vorgeschri­ebene Veröffentl­ichungspfl­icht ordnungsge­mäß erfüllt habe.

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Hat Audi den Spritverbr­auch auf dem Motorenprü­fstand mittels illegaler Software gesenkt? Das Bild zeigt einen Q5 in der neuen Fabrik in San Jose Chiapa in Mexiko
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VW-Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch (65)

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