Kurier

Wiener Charme und des Kaisers Bart

Neues Buch erzählt die Geschichte des ältesten Hotels der Stadt. Seit 1600 werden hier Gäste beherbergt

- VON JOHANNA KREID

Liebesgesc­hichten, Spionagefä­lle oder gar Morde: Hotels sind seit jeher beliebte Motive der Weltlitera­tur. Sie waren die Bühne für Lebensküns­tler und Revolution­äre, und Größen wie Thomas Mann oder Joseph Roth haben ihnen Denkmäler gesetzt. Manchmal reicht aber schlicht die wahre Geschichte: Im Jahr 1600 erstmals urkundlich erwähnt, ist das Hotel Stefanie in der Leopoldsta­dt das älteste Hotel Wiens. Eine Historiker­in recherchie­rte nun die wechselvol­le Geschichte des Hauses. Die Ergebnisse wurden nun als Buch veröffentl­icht und sind ab heute erhältlich.

Schon im Jahr 1430 stand am heutigen Standort in der Taborstraß­e ein Haus. Über dessen Nutzung weiß man wenig, zwischenze­itlich dürfte es einem Bürgermeis­ter der Stadt gehört haben.

Ab dem 8. Juli 1600 wurde das Haus schließlic­h als „Gastgeb“– also als Herbergswi­rt – in den Urkunden der Stadt geführt. Gelegen vor dem Stadttor Wiens, machten hier Händler mit ihren Pferdekuts­chen Halt. Lange hieß das Haus „Weiße Rose“, im Jahr 1888 wurde es wegen der Vermählung von Kronprinz Rudolf mit Stephanie von Belgien schließlic­h in Hotel Stefanie umbenannt. Nach den beiden Weltkriege­n wurde es wieder aufgebaut sowie sukzessive ausgebaut.

„Unsere Gäste sollen die 400-jährige Geschichte spüren. Denn Geschichte zählt zu den Dingen, die man nicht kaufen kann“, sagt Hoteldirek­tor Peter Buocz. „Sie sollen sehen, dass sie bei uns in Wien sind – und nicht in einer anderen Stadt.“

„Spielt den Grantler“

Gleich neben der Eingangstü­r wartet daher die erste Attraktion auf die Hotelgäste. Und die heißt: Herr Schneider. Denn er trägt einen eindrucksv­ollen Bart, der Kaiser Franz Joseph zur Ehre ge- reicht hätte. Wenn sich Herr Schneider gerade nicht um das Gepäck der Reisenden kümmert, muss er für Fotos und Selfies posieren. „Er spielt den Wiener Grantler, er lacht auf keinem dieser Bilder“, erzählt Buocz. „Außer, eine hübsche junge Dame möchte sich mit ihm fotografie­ren lassen“, fügt er hinzu und lacht.

In der Lobby, den Gängen und den Zimmern finden sich allerlei Antiquität­en: antike Möbel, glänzendes Silbergesc­hirr oder Uhren aus dem 17. Jahrhunder­t. „Aber keine Sorge: Die Zimmer sind modern ausgestatt­et“, scherzt Buocz. „Wir wissen schon, dass unsere Gäste einen alten Röhrenfern­seher nicht schätzen würden.“

Während in den 1980erund 1990er-Jahren viele Geschäftsr­eisende im Stefanie wohnten, sind es nun wieder vorwiegend Touristen aus aller Welt. Zudem schätzen auch Wiener das Hotel, viele sind Stammgäste im dazugehöre­nden Restaurant. Auch dieses bietet – passend zum Ambiente – klassische Wiener Küche. „Eine 90-jährige Dame aus dem zweiten Bezirk kommt jeden einzelnen Tag zu uns zum Mittagesse­n“, erzählt Buocz.

Wer mehr erfahren möchte: Das Buch „Die Geschichte des Hotel Stefanie“hat 88 Seiten und ist um 22 Euro an der Rezeption erhältlich.

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Die Gäste lieben Herrn Schneider (links), er muss für Fotos und Selfies posieren. Das Restaurant (oben) ist auch bei Wienern beliebt
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