Ein Tag im Leben eines Schiffskochs
Seit 21 Jahren nennt er die Weltmeere sein Zuhause – Willy Leitgeb lebt seinen Bubentraum
Freundlich und ruhig blickt der Chef durch die Küche. Hektisch geht es am Vormittag zu. Die Öfen sind angeheizt, auf den Herdplatten stehen dampfende Töpfe. Es wird geschnippelt und gewalkt. In einer Ecke hängen Zettel mit Fotos von ganz speziellen Gästen, daneben sind Hinweise wie Veganer oder HistaminIntoleranz vermerkt.
Wer in Klischees denkt, fühlt sich in den kühlen Räumlichkeiten im Bauch des Schiffes bestätigt. Die Crew besteht aus Überzeugungstätern: mit Muskeln bepackt, und mit Tätowierungen geschmückt. So laut die „Schiffsjungen“, so unscheinbar der Küchenchef. Dünn, klein, Brille. Schnellen Schrittes klappert er die Stationen in der Küche ab. Bei der Pastamaschine bleibt er stehen. Sie klemmt, der Chef muss ran. Der nächste Hafen wird erst in zwei Tagen angefahren, keine Zeit für die Suche nach einem Spezialisten.
Bei Notfall Willy rufen
Irgendwann wurden ihm die Dolomiten zu eng, erzählt der 44-Jährige. „Bereits als Kind habe ich davon geträumt, Küchenchef auf einem Kreuzfahrtschiff zu werden.“Willy Leitgeb lebt seinen Traum – seit 21 Jahren arbeitet der Südtiroler für die Reederei Hapag Lloyd. 2013 stach er mit der neu gebauten MS Europa 2 in See. Weiße Strände und Salsamusik: Gerade machte das Schiff Station in Kuba, es folgen Tahiti, Bora Bora und Fidschi. Immer die gleichen Strände, immer die gleichen Gäste – birgt das nicht Fadesse? Leitgeb verneint, jeder Tag bringt neue Herausforderungen: Ein Neuer fällt wegen Seekrankheit aus, ein anderer hat Herzschmerz.
Wenn der Executive Chef seinen Job beschreibt, spricht er von logistischer Hochleistung. Fast 4000 Lebensmittel und Getränke lagern in drei Tief kühlkammern und neun Kühlkammern auf 800 qm2. 20 kg Käse, 70 kg Reis, 71 Flaschen Champagner, 110 Flaschen Weißwein, 400 kg Fleisch, 1400 Eier – ein Auszug benötigter Lebensmittel für nur einen Tag. „Diese werden zwei bis drei Monate im Voraus bestellt. In Deutschland werden die Waren in Container geladen und uns hinterhergeschickt. Man sollte nichts vergessen und genau planen. Frische Produkte wie Obst, Gemüse und Fisch werden frisch vor Ort eingekauft.“Stunden- lang sitzt der Schiffskoch in seinem Mini-Büro, liest die Bestellungen der Gäste vom Vortag, checkt die Lagerräume und vergleicht die Angebote der Händler in den Häfen. Der Warenwert übertrifft die Millionen-Grenze. Allein der Kaviar hat den Wert eines Einfamilienhauses.
Ein Tag kostet rund 700€
Die Reichen sollen auf der MS Europa 2 nicht das Gefühl haben, Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff zu machen: 370 Crewmitglieder stehen 500 Gästen gegenüber. Captain’s Dinner, Smoking und fixe Essenszeiten sind tabu. Für Golfspieler – Trainingsbereich mit Videowall –, Manager jenseits der 45 oder Pensionisten mit Rollator tischt der Südtiroler „Pommersches Rinderfilet auf Ragout vom Ochsenschwanz mit Paradeiser-Melanzani-Kompott und getrüffeltem Kartoffelschaum“auf. Ein bisschen Retro schadet nicht. Angesichts des Konzepts urteilte der Berlitz Cruise Guide 2016 „das beste Kreuzfahrtschiff der Welt“und vergab die Höchstnote 5Sterne-plus. Dafür muss man tief in die Tasche greifen: Ein Tag kostet rund 700 €.
Die Pastamaschine funktioniert wieder. Zeit für Leitgeb, einen Kontrollgang durch die sieben Restaurants zu machen und Sonne am Deck zu tanken. Wie er als Chef so ist? Ein Mitarbeiter blickt sich scheu um: „Schon streng.“