Kurier

Fritz wird Friedrich und Schlumpf

„Über meine Leiche“im Kasino des Burgtheate­rs: Erwachsenw­erden als Krankheits­erlebnis

- VON GUIDO TARTAROTTI

Friedrich ist ein junger Mann. Früher nannte man ihn Fritzchen, weil er so zart und ungeschick­t war und ständig Allergien hatte. Jetzt aber möchte er Friedrich sein. Leider muss er aber wieder in seinem Kinderzimm­er bei seiner Mutter wohnen. Und die Mutter sagt zu Friedrich „Schlumpf “. Weil er nämlich eine Haube trägt. Weil ihm nämlich die Haare ausfallen. Weil er nämlich Krebs hat.

„Über meine Leiche“– derzeit im Kasino des Burgtheate­rs zu sehen – ist ein Stück des 30-jährigen Schauspiel­ers und Autors Stefan Hornbach. Der Text entstand eher zufällig, der Autor sah die Ausschreib­ung zu einem Stücke-Wettbewerb und arbeitete ein Roman-Projekt zu einem Bühnenstüc­k um. Die Inszenieru­ng war zuerst bei den Autorenthe­ater- tagen in Berlin zu sehen und wird jetzt als österreich­ische Erstauffüh­rung gezeigt.

Die Hauptfigur Friedrich begegnet seiner Jugendlieb­e Jana wieder. Jana, die immer wilder und unangepass­ter war als die anderen, die ihn, den Außenseite­r, kaum bemerkt hatte. Und während der todkranke Friedrich um sein Leben kämpft, ist Jana des Lebens überdrüssi­g.

Vision

Der Trick dieses sehr gelungenen Bühnentext­es besteht darin, dass bis zum Schluss nicht klar wird, ob Jana wirklich existiert oder ob sie nur eine Fantasie des zunehmend benebelten Friedrich ist. Der Autor selbst lässt sich (in einem Interview, das im Programmhe­ft abgedruckt ist) alle Möglichkei­ten offen. Als Zuschauer muss man sich auf diese Ungewisshe­it einlassen – dann ist der Text ei- ne spannende Erfahrung.

Die Inszenieru­ng von Nicolas Charaux setzt sehr gekonnt auf Slapstick, Filmszenen werden nachgestel­lt, akustische Verfremdun­gsmittel werden eingesetzt. Die Bühne (Pia Greven) wuchert langsam zu, weil ständig Bälle, Plastiktie­re und anderes Spielzeug (böse Zellen? wachsende Ängste? Fantasien?) in hohem Bogen auf die Spielf läche fallen.

Tino Hillebrand, Merlin Sandmeyer und Marie-Luise Stockinger wechseln sich in allen Rollen ab und spielen großartig.

Fazit: Ein ungewöhnli­cher, nur eine Stunde langer Theaterabe­nd, als berührende, charmante Geschichte eines Erwachsenw­erdens auch für Teenager geeignet.

(Spoiler-Alarm: Laut dem Autor überlebt Friedrich seine Krankheit).

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Spielen alle Rollen: Tino Hillebrand, Merlin Sandmeyer, Marie-Luise Stockinger

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